Der Glasmaler und die Hure
Erschütterung verstehen. Sie hatten sich tagelangauf Conrads Ende vorbereiten können, doch der Mord an Katharina traf sie völlig überraschend.
Martin hatte sich in den vergangenen Tagen ausschließlich um Thea oder um sein eigenes Leben gesorgt und Katharina dabei völlig außer acht gelassen. Nun hatte ausgerechnet Conrads Schwester den Preis für sein Verlangen nach Rache bezahlt.
»Als wir uns zum ersten Mal begegneten, schlug sie mit einer Gerte nach mir, sobald wir allein waren«, sagte Thea und lächelte gequält. »Doch kurz darauf, als ein Mann mich bedrohte, schützte sie mich wie eine Mutter ihr Kind.«
Martin runzelte die Stirn. »Davon hast du mir nie erzählt.«
Thea legte eine Hand auf das Grab. »Niemand hat sie recht leiden können, und doch war wohl sie die Tapferste von uns allen.«
Martin nickte. Er überlegte, ob auch er lobende Worte über Katharina von sich geben sollte, doch die Schuld, die er empfand, verschloß ihm die Lippen. Er grub seine Finger in die Erde und ballte sie so fest zu Fäusten, daß es schmerzte.
Eine Weile saßen sie noch schweigend am Grab nebeneinander, dann erhob sich Martin und meinte: »Es wird Zeit.«
Sie beluden den Wagen und brachen auf. Während der Fahrt durch das Lager verfolgten sie das hektische Geschehen im Schein der zahlreichen Pechfackeln. Das Heer des schwedischen Königs bereitete sich auf die Schlacht vor. Unter dem Klang dumpfer Trommelschläge versammelten sich die Regimenter bei ihren Fahnen. Munitions- und Geschützwagen polterten vorüber, und nicht selten mußten sie vorbeiziehenden Reiterstaffeln Platz machen. Bald schon zog dichter Nebel auf, der die Soldaten einhüllte.
Ihr Ziel war das Quartier von Jöran Poutiainen. Der Wagen und ihre Habseligkeiten würden dort vor Dieben geschützt sein, wenn sie zur Mühle aufbrachen.
Martin und Thea ließen sich in das Zelt des Rittmeisters führen, wo dem Finnen von zwei Pagen der Harnisch angelegt wurde. Während der eine Bursche einen geschuppten Oberschenkelschutz festschnallte, befestigte der andere einen glänzenden Brustpanzer. Jöran Poutiainen hatte sich für die Schlacht herausgeputzt. An seinem Hut steckten breite Federn in schillernden Farben, sein Wams war mit bestickten Schärpen und Tüchern geschmückt, und von den Schultern hingen bunte Seidenbänder herab.
Poutiainen zeigte sich verwundert über Martins und Theas Aufwartung so kurz vor dem Beginn der Schlacht. Martin trug seine Bitte vor, und der Rittmeister gewährte ihnen den Aufenthalt in seinem Quartier und Schutz für Martins Besitz.
»Ich bitte euch nur um eines.« Poutiainen gab dem Pagen, der seinen Brustpanzer schnürte, einen leichten Schlag auf den Hinterkopf und bedeutete ihm, die Riemen zu lockern. »Haltet das zänkische Weib von mir fern. Ihre Launen würden mir selbst die Rückkehr von einer siegreichen Schlacht verübeln.«
»Katharina ist tot«, sagte Martin.
Poutiainen zog eine verwunderte Miene. »Tot? Wie ist das geschehen?«
»Sie wurde ermordet. Von einem Mann, der auch Thea und mir nach dem Leben trachtet.«
Der Finne überlegte kurz. »Ich könnte Euch eine Wache zum Schutz stellen. Zwar ziehen die besten Männer mit mir in den Kampf, aber ich werde einigen Pferdeknechten den Befehl geben, sich um Euren Wagen zu postieren und die Augen offenzuhalten.« Er grinste. »Natürlich verfolge ich damit auch Eigennutz, denn mir ist zu Ohren gekommen, daß Ihr Euch inzwischen zu einem fähigen Chirurgenentwickelt habt. Sollte man mich also verletzt vom Schlachtfeld heimschaffen, werde ich mich bei Euch in besten Händen befinden.«
Martin antwortete nicht darauf. Er verschwieg Poutiainen, daß auch er schon bald aufbrechen und vielleicht niemals wieder zurückkehren würde.
»Wollt Ihr mir verraten, warum Euch dieser Mann nach dem Leben trachtet?« fragte der Finne.
»Das ist eine lange und sehr traurige Geschichte«, meinte Martin. »Ich werde sie Euch erzählen, wenn die Schlacht geschlagen ist.«
Thea hatte sich bislang still verhalten, doch nun trat sie näher und legte eine Hand auf den Harnisch.
»Ihr benutzt noch immer den Stock, um Eure Schritte zu setzen«, sagte sie. »Seid Ihr denn wirklich in der Verfassung, Euch in das Schlachtgetümmel zu stürzen?«
Jöran Poutiainen tat ihren Einwand mit einer lapidaren Handbewegung ab. »Auf dem Pferderücken behindert mich die alte Verletzung kaum noch. Und ich werde es mir nicht nehmen lassen, den alles entscheidenden Sieg unserer Armee mit
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