Der Glasmaler und die Hure
am morgigen Tag die Bataille siegreich bestehen oder in ihrem eigenen Blut untergehen würde.
Während er durch das Lager stapfte, wichen die Landsknechte angewidert vor ihm zurück und machten ihm Platz. Einige wandten schnell den Blick ab, als käme es einem bösen Omen gleich, diesem blutbesudelten Mann ins Gesicht zu schauen. Andere spuckten trotzig vor Rupert aus.
Er sehnte sich nach dem Tod. Das Verlangen, Berthold zu folgen, wohin dieser Weg ihn auch führen mochte, erschien ihm wie die süßeste aller Verlockungen. Als er in der Mühle vor Berthold niedergesunken war, hatte er kurz mit dem Gedanken gespielt, seinem Leben ein Ende zu setzen. Doch dann hatte ihm erneut das Bild der Hure vor Augen gestanden, und der Zorn auf diese Frau und auf Martin hatte ihm neue Kraft gegeben.
Die beiden würden sterben. Noch heute. Danach würde er sich neben Berthold zur Ruhe begeben, die Hand seines Bruders halten und diese jämmerliche Welt hinter sich lassen.
Er erreichte den Platz im Lager, an dem Berthold und er vor wenigen Stunden Martins Wagen entdeckt hatten. Nur wenige Schritte davon entfernt hatten sie die Hure überwältigt und mit sich geschleppt.
Warum nur hatte er sie nicht sofort getötet? Das Jucken in seinem Geschlecht hatte ihn dazu verleitet, sich an ihr zu vergehen. Er hatte einen hohen Preis für diese Schwäche entrichtet. Könnte er Bertholds Tod damit ungeschehen machen – er hätte sich, ohne zu zögern, das Glied vom Leib geschnitten.
Rupert näherte sich Martins Wagen. Er duckte sich hinter ein anderes Gefährt, denn sein blutbespritztes Wams leuchtete auffälliger als ein buntes Federkleid.
Einige Momente lang wartete er ab, konnte aber niemanden in der Nähe des Wagens ausmachen. Ein mageres Mädchen mit verfilzten Haaren lief an ihm vorbei, starrte ihn an, als wäre er der Teufel persönlich, und stürzte davon.
Rupert wurde ungeduldig. Er preßte die Zähne aufeinander und hielt weiter nach Martin Ausschau. Nichts geschah. Er fluchte leise.
Dann endlich sah er neben Martins Wagen eine ältliche Vettel hervortreten, die eine Kiste auf das Gefährt hob und einen Moment später auf den Planwagen kletterte.
Sie machen sich davon,
schoß es Rupert durch den Kopf.
Sie wollen den Troß verlassen.
Er zögerte nur kurz, dann trat er mit einem Dolch in der Hand rasch auf das Gefährt zu. Die Alte würde wissen, wo sich Martin und die Hure aufhielten.
Als er sich auf den Wagen stemmte, wandte die Vettel sich um. Er verharrte und fixierte die Augen der Alten. Sie mochte erschrocken sein, doch sie schaffte es, ihre Furcht vor ihm zu verbergen. Mit wütendem Gesichtsausdruck keifte sie Rupert entgegen: »Scher dich fort, du Mißgeburt!«
Sie trat mit dem Fuß nach ihm, aber nicht hart genug, um ihn vom Wagen zu stoßen. Nun griff Rupert nach ihrem Bein und zog sie näher zu sich heran. Bevor die Vettel schreien konnte, schlug Rupert ihr ins Gesicht. Er kletterte ganz auf den Wagen, drängte die Frau zu Boden und setzte sich auf sie. Rupert legte eine Hand auf ihren Mund. Sie grub ihre Zähne in seinen Handballen, und er jaulte auf.
Wütend holte er erneut aus und schlug noch einmal auf sie ein. Die Alte keuchte und hustete.
»Wo ist die Hure?« verlangte er zu wissen.
Als die Vettel sich weigerte, ihm zu antworten, krallte er seine Finger in ihr Kleid und riß es über ihrem Busen auseinander. Er zerrte an ihrem Unterhemd, bis zwei faltige, schlaffe Brüste zum Vorschein kamen. Die Alte fletschte haßerfüllt die Zähne, aber ihre Kräfte reichten nicht aus, um sich ernsthaft gegen ihn zur Wehr zu setzen.
Rupert setzte die Spitze seines Dolches an die rechte Brust.
»Wo ist die Hure?« fragte er noch einmal. »Wo ist Martin Fellinger?« Er drückte das Messer einen Fingerbreit in das Fleisch. Ein dunkler Bluttropfen perlte von der Brust auf die Klinge des Dolches.
Die Alte stöhnte laut auf. »Du Teufel!« preßte sie hervor.
Er bohrte das Messer tiefer in das Fleisch. »Wo sind sie?«
»Fort.« Trotz der Schmerzen funkelten ihre Augen verachtend.
»Suchen sie nach mir?«
»Fahr zur Hölle!«
Die Vettel versuchte ihn anzuspucken. Rupert zog den Dolch aus der Brust und setzte die Spitze der Klinge an ihr Auge.
»Sag mir, wo sie sind!« rief er, bereit, ihr das Auge zu nehmen, wenn sie sich weiterhin so störrisch verhielt.
Ein Geräusch hinter ihm ließ Rupert herumfahren. Am Ausstieg des Wagens erblickte er einen schmächtigen Halbwüchsigen, der ihn mit großen Augen
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