Der Glasmaler und die Hure
hatte mit Thea nie das Bett geteilt.
»Welch Glück, daß ausgerechnet diese Thea dein Medaillon gefunden hat«, sagte Sophia nun.
Martin blieb der Spott in ihrer Stimme nicht verborgen. »Du glaubst, ich wäre bei ihr gewesen. Und es scheint ja auch alles darauf hinzudeuten.« Er strich seiner Frau über das Haar. »Ich versichere dir jedoch, daß ich schon seitJahren kein Wort mehr mit Thea gesprochen habe und es mir äußerst unangenehm ist, daß diese Dirne unser Haus betreten hat.«
»Ich habe sie hereingebeten«, erwiderte Sophia. »Und mir war es nicht unangenehm.«
Martin wußte nicht genau, wie er diese Worte auffassen sollte, doch bevor er darauf eingehen konnte, ertönte aus der Küche ein heller Schrei.
»Fredeke!« entfuhr es Sophia.
Sie liefen in die Küche, wo Fredeke noch immer schrie und erschrocken einen Mann anstarrte, der ihren Arm gegriffen hatte und sie gegen eine Wand drückte. Der Kerl trug einen breitkrempigen Filzhut. Sein Wams und seine Hose wiesen zahlreiche Löcher und Risse auf. Seine schmutzigen Stiefel hatten den Dreck der Straße auf dem Küchenboden verteilt. Zudem umgab ihn der säuerliche Geruch von billigem Wein.
»Hör auf zu kreischen, du dummes Huhn«, rief der Mann, doch Fredeke verstummte erst, als Martin die Stimme erhob.
»Laß sie los!«
Der Mann entließ Fredeke aus seinem Griff und wandte Martin das Gesicht zu.
Trotz der gräßlich vernarbten und leeren rechten Augenhöhle erkannte Martin seinen Vetter Rupert. Sie hatten als Kinder so manchen Streit miteinander ausgetragen, der mehr als einmal mit einer blutigen Nase geendet hatte.
»Wie bist du hier hereingekommen?« wollte Martin wissen, nachdem er den ersten Schreck überwunden hatte.
Rupert grinste maliziös. »Du selbst hast mir vor vielen Jahren beigebracht, wie einfach sich die Hintertür eures Hauses mit einem gebogenen Stock öffnen läßt. Erinnerst du dich, Martin?«
»Was willst du hier?«
Rupert deutete auf die Pfannkuchen, die Fredeke zubereitet hatte. »Meinem Bruder Berthold und mir knurrt der Magen. Wie wäre es, wenn du uns hilfst, sie zu füllen?«
»Ich denke nicht daran.«
Rupert verzog das Gesicht. »Du bist keinen Deut besser als dein Vater. Auch der hat seinem Bruder stets jede Hilfe verweigert.«
»Dein Vater hat sein Geld versoffen und beim Würfeln verpraßt. Warum hätte man ihn darin noch unterstützen sollen?«
»Mein Vater war ein schwacher Mensch. Doch als man unser Haus plünderte und uns davonjagte, hättet ihr uns aufnehmen müssen.«
Martin erinnerte sich gut an den Vorfall, auf den Rupert anspielte. Vor neun Jahren waren in der Stadt Unruhen ausgebrochen, nachdem die Märkte mit billigem Kupfergeld überschwemmt worden waren, was den Preis der meisten Waren, insbesondere den des Getreides, in unverschämte Höhen getrieben hatte.
Die Münzordnung untersagte den Landesherren das Prägen von Reichsmünzen, erlaubte jedoch die Herstellung beliebig vieler Landesmünzen mit niedrigem Silbergehalt. Als die Münzherren dazu übergingen, ihre Prägerechte an die Spekulanten, die sogenannten Kipper und Wipper, zu verpachten, schossen Münzstätten wie Pilze aus dem Boden. Auch Ruperts Vater hatte Münzen gefälscht, indem er das Geld mit hohem Silbergehalt beschneiden ließ, um daraus Münzen mit hohem Kupferanteil prägen zu lassen, die in Weinsteinsäure oder Silberamalgam gekocht wurden, bis sie silbern schimmerten.
Als der Zorn der Bürger auf die Kipper und Wipper losbrach, stürmte die Menge das Haus von Ruperts Vater. Dieser bat seinen Bruder um Hilfe, doch Lukas Fellinger warf ihm nur einige Taler vor die Füße und schickte ihn samt Frau und Kindern fort. Später erfuhr Martin, daß sieeine ärmliche Kate in einem Weiler nahe Braunschweig bezogen hatten.
Martin deutete zur Tür. »Ich kann dir nicht helfen. Geh!«
»Nimm Berthold und mich in deinem Haus auf«, sagte Rupert. »Wir werden euch zur Seite stehen, wenn der Sturm auf die Stadt losbricht.« Seine Worte kamen einer Forderung gleich. Er berührte den Kolben einer Pistole, die aus seinem Wams herausschaute.
Martin schüttelte den Kopf. »Wir brauchen euren Schutz nicht. Wenn die Stadt wirklich geplündert werden sollte, verstecken wir uns im Keller, bis sich die Lage beruhigt hat.«
Rupert betrachtete ihn aus schmalen Augen und machte dann einen Schritt auf Sophia zu. Der lüsterne Blick, mit dem er sie die ganze Zeit über fixiert hatte, war Martin nicht verborgen geblieben.
»Die Soldaten dort vor
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