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Der Glasmaler und die Hure

Der Glasmaler und die Hure

Titel: Der Glasmaler und die Hure Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Wilcke
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hatte sich auf seinen Vater unddessen sinnloses Zögern gerichtet. Jaulend hatte er auf der Erde gekauert, während sein Auge von der Wange in den Sand tropfte. Er hatte seinen Vater verflucht und auch seinen Onkel, den Glasmaler, der schließlich eine Mitschuld daran trug, daß sie in dieser Bauernkate den marodierenden Söldnern hilflos ausgeliefert gewesen waren.
    In der Woche nach dem Überfall hatte Rupert immer wieder mit dem Gedanken gespielt, fortzugehen, weil er seinem Vater nicht mehr ins Gesicht sehen konnte. Das einzige, was ihn in der Kate hielt, war Berthold. Rupert fühlte sich für seinen Bruder verantwortlich, und er hätte ihn niemals allein zurückgelassen.
    Erst als er Berthold davon erzählt hatte, daß es ihn in die Ferne zog, und sein Bruder eingewilligt hatte, mit ihm zu kommen, waren sie in einer mondlosen Nacht davongelaufen. Eine Zeitlang hatten sie sich als Bettler und Diebe durchgeschlagen. Später folgten sie einem protestantischen Söldnerheer. Hier lernten sie, mit Waffen umzugehen und daß es gar nicht so schwer war, einen Menschen umzubringen, wenn das eigene Leben davon abhing. Das Plündern von Dörfern oder Städten und auch das Töten gehörten für Rupert nun zum Alltag.
    Sieben lange Jahre waren sie durch die Lande gezogen, bevor sie nach Magdeburg zurückkehrten. Kurz nach ihrer Ankunft hatte Berthold davon gesprochen, daß es ihm gefallen würde, sich dauerhaft in der Stadt niederzulassen. Rupert aber wollte davon nichts hören. Selbst wenn sie die Belagerung überstehen sollten, zog er es vor, ihr rastloses Leben weiterzuführen. Berthold würde sich seiner Entscheidung fügen müssen. In all den Jahren waren sie keinen einzigen Tag voneinander getrennt gewesen, und daran würde sich auch nichts ändern.
    Rupert schickte das Mädchen fort und trank von dem würzigen Muskatel. Als er den Krug absetzte, hörte er, wie sein Name gerufen wurde.
    »Rupert!«
    Er schaute zur Seite und sah Berthold auf ihn zutreten. Hinter seinem Bruder erkannte er den Roten Wenzel, der ihnen bereits seit Wochen wie eine Klette anhing. Berthold und Wenzel kehrten von ihrer Wache auf dem Stadtwall zurück, zu der Rupert schon seit Tagen nicht mehr angetreten war. Er sah keinen Sinn darin, für einen Kriegsherren den Kopf hinzuhalten, der keinen Sold mehr auszahlen konnte.
    Die beiden hockten sich zu ihm an den Tisch. Wenzel griff frech nach Ruperts Weinkrug und setzte ihn sich an die Lippen. Sofort zog Rupert dessen Hand zurück, nahm den Krug an sich und schlug ihm den Hut vom Kopf. Wenzel machte eine trotzige Miene, wagte es aber nicht, die Faust gegen Rupert zu erheben. Er fuhr sich mit den Fingern durch sein feuerrotes Haar, hob den Hut auf und lachte so schrill wie eine betrunkene Dirne, um die Situation zu überspielen.
    »Dann sauf halt allein weiter«, meinte Wenzel und gab sich betont gleichgültig.
    Rupert ignorierte den Roten Wenzel und wandte sich an seinen Bruder. »Hat man euch mit Proviant versorgt?«
    Berthold rümpfte die Nase. »Der Rottmeister hat einen Kanten Brot verteilt, das wohl mit gemahlenem Holz gebacken worden war. Es zerbröselte zwischen den Fingern, bevor man es in den Mund schieben konnte.« Er zog eine mürrische Miene. »Und du? Warst du bei ihm?«
    Rupert nickte. »Unser Vetter Martin ist ebenso störrisch wie sein Bruder Sebastian. Obwohl ich in seiner Küche frisches Brot, Käse und gebackene Pfannkuchen gesehen habe, war er nicht bereit, auch nur einen Fingerbreit davon mit uns zu teilen. Er hat es auch abgelehnt, uns unter seinem Dach schlafen zu lassen. Wir sind nur Dreck für ihn, nichts anderes.«
    »Er soll zur Hölle fahren.« Berthold schnaufte aufgebracht.»Fast wünschte ich mir, Tillys Söldner würden die Stadt einnehmen und ihm alles rauben, was er besitzt.«
    »Gott behüte uns«, stieß Wenzel hervor. »Gegen die Kaiserlichen könnten auch wir uns nicht zur Wehr setzen. Die ziehen wie wilde Tiere durch die Straßen und schlagen alles tot, was sich ihnen entgegenstellt.«
    Rupert zögerte einen Moment und wägte ab, ob er den Gedanken aussprechen sollte, der ihn bereits seit mehreren Tagen beschäftigte. Schließlich befand er, daß es an der Zeit dafür war. Grienend schaute er von Wenzel zu Berthold und sagte dann leise: »Und warum sollten wir uns den Kaiserlichen überhaupt entgegenstellen?«
    »Du meinst, wir sollen uns wie die Ratten in ein Loch verkriechen?«
    Rupert schüttelte den Kopf. »Ich meine, wir sollten uns auf ihre Seite schlagen,

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