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Der Glasmaler und die Hure

Der Glasmaler und die Hure

Titel: Der Glasmaler und die Hure Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Wilcke
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sie auf den Waldboden. Schwindel umfing sie, und sie glaubte, sich übergeben zu müssen, doch schließlich sammelte sie ihre letzten Kräfte und zog Martin wieder auf die Beine.
    Sie erreichten die Kate, unmittelbar bevor der Nieselregen in einen Wolkenbruch überging. Eine Maus huschte davon, als sie Martin auf den Lehmboden niederlegte. Leider gab es in der Hütte nichts, um es ihm bequemer zu machen. Thea zog sich bis auf ihr knielanges Unterkleid aus, legte die Kleidung unter Martins Kopf und schlang die Arme um seinen zitternden Körper. Der Regen trommelte auf das Dach. Müde von der Anstrengung dieses Tages schlief sie ein.
     
    Vogelgezwitscher weckte Thea. Sie blinzelte müde und betrachtete die beiden Spatzen, die in der Fensteröffnung herumspazierten. Zartes Sonnenlicht fiel in die Kate. Thea richtete sich auf und schaute zu Martin, der friedlich neben ihr schlief. Die Sonne blendete sie ein wenig, aber dennoch genoß sie die wärmenden Strahlen. Es war beruhigend, daß die Welt keineswegs ihre simple Schönheit verloren hatte. Nach den Ereignissen der letzten Tage hätte sie kaum noch daran glauben mögen.
    Martin stöhnte leise. »Schlaf«, sagte Thea. Sie betrachtete mit Sorge die Wunde. Das Fleisch um den Durchschuß hatte sich gelblichbraun verfärbt. Die Schwellung war vorangeschritten und hatte den Umfang einer großen Männerhand angenommen. Sie würde die Entzündung kühlen müssen. Vielleicht fand sich draußen eine Pfütze, in der sie ein Stück Stoff anfeuchten konnte.
    Thea trat aus der Kate. Seufzend reckte sie die Arme. Die Wunde an ihrem Oberarm zwickte unangenehm. Sie ging hinter die Hütte und entleerte ihre Blase. Während sie da hockte, überlegte sie, was nun mit ihr und Martin Fellinger geschehen sollte. In seinem Zustand würden sie kaum den nächsten Marktflecken erreichen können. Seine Wunde mußte versorgt werden, sonst würde ihn die Entzündung schon bald das Leben kosten. Diese ganze Situation war so verdammt hoffnungslos, und es machte sie wütend, daß sie zur Untätigkeit gezwungen war.
    Ein Geräusch ließ sie zusammenfahren. Das Schnauben eines Pferdes, nicht weit entfernt von der Kate. Thea blieb ruhig sitzen und lauschte. Nun vernahm sie auch vereinzelte, anschwellende Stimmen. Sie schluckte trocken. Handelte es sich um einen Spähtrupp der Kaiserlichen oder stieß womöglich eine weitere Gruppe Überlebender aus Magdeburg zu ihnen?
    Sie hörte das Poltern eines größeren Wagens und ein lautesRufen in einer fremden Sprache. Das konnten keine Leute aus Magdeburg sein.
    Martin,
dachte sie erschrocken. Sie mußte Martin aus der Kate schaffen und im Wald verstecken, solange noch Zeit blieb.
    Thea wollte in die Kate laufen, doch nach wenigen Schritten prallte sie gegen einen massigen Leib. Zwei Söldner gafften sie neugierig an, und ihr wurde plötzlich bewußt, daß sie nur ein dünnes Unterkleid trug.
    »Kuka sinä olet?«
sagte der jüngere der beiden und lachte leise. Thea hatte keine Ahnung, was das für eine Sprache sein mochte. Sie hatte davon gehört, daß in der Armee der Kaiserlichen kroatische Söldner kämpften, doch wie Südländer sahen diese beiden hellhäutigen, blonden Männer nicht aus.
    Der andere winkte sie zu sich heran.
»Tule hieman lähemmäksi.«
    Thea rührte sich nicht von der Stelle und kreuzte die Arme vor der Brust.
    »Astukaa taakseppäin!«
erklang es im Befehlston hinter dem Rücken der Söldner, was diese veranlaßte, schnell zur Seite zu treten. Ein weiterer Mann kam herbei und musterte Thea verwundert. Er war ein wenig älter als die beiden Burschen und trug elegantere Kleider. Sein Wams schmückte eine goldbesetzte Schärpe und mehrere bunte Bänder. An seinem Gürtel befand sich ein verzierter Degen. Allem Anschein nach handelte es sich um einen Offizier, denn die beiden Soldaten zogen sich rasch zurück.
    Zu Theas Überraschung sprach der Offizier nun auf deutsch mit ihr. »Ich muß mich für das Verhalten dieser Kerle wohl entschuldigen.« Er musterte sie mit einem Blick aus wasserblauen Augen. Aus seiner Stimme war ein leichter Akzent herauszuhören.
    Thea beruhigte sich. »Wer seid Ihr?«
    »Mein Name ist Jöran Poutiainen, Rittmeister im Dienst der Armee König Gustav Adolfs.«
    »Ihr seid Schwede?«
    Er schüttelte den Kopf. »Finne. Ich befehlige ein finnisches Reiterregiment, das der schwedischen Armee unterstellt wurde.«
    Der Offizier führte sie um die Kate, wo auf dem Platz vor der Hütte rund zwei Dutzend Reiter und

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