Der Glasmaler und die Hure
vielleicht vierzig Fußsoldaten sowie zwei Planwagen eingetroffen waren. Einige der Soldaten trugen Verbände, und an nicht wenigen Hemden klebte Blut.
»Wir wurden als Vorhut entsandt. Vor zwei Tagen gerieten wir in ein Scharmützel mit einer Einheit der Kaiserlichen und haben bittere Verluste zu beklagen. Glücklicherweise wurde ein Medicus zu uns geschickt.«
»Ein Arzt?« brachte Thea aufgeregt hervor. »Unter euch befindet sich ein Arzt?«
Jöran Poutiainen nickte und schien nicht recht zu verstehen, warum das so wichtig für sie war.
»Bringt mich zu ihm, bitte!«
»Warum?«
»In der Kate befindet sich ein Mann, der dem Tode nahe ist. Er braucht dringend Hilfe.«
Der Rittmeister schwieg einen Moment und musterte ihren verletzten Oberarm. »Du bist aus Magdeburg?«
»Wir sind vor zwei Tagen von dort geflohen, als die Stadt geplündert und niedergebrannt wurde.«
»Kuriere haben uns die betrübliche Nachricht überbracht«, sagte Jöran Poutiainen. »Wir hätten die Stadt entsetzen müssen, doch es wurde zu lange gezögert. Ich habe nie begriffen, warum.«
»Dann zögert jetzt nicht noch einmal. Schafft Euren Arzt herbei, damit er das Leben dieses Mannes rettet.«
»Wartet.« Der Rittmeister trat zum vordersten Wagen und kehrte kurz darauf mit einem untersetzten, etwa fünfzigjährigenMann zurück, der einen verschlissenen schwarzen Wollmantel trug und schwankend seine Schritte setzte. Sein Gesicht wirkte grobschlächtig wie das eines Bauern oder Tagelöhners. Trotz des grauen Bartes konnte Thea erkennen, daß die Wangen des Mannes von roten Äderchen durchzogen waren. Dazu hing ihm allzu deutlich der Dunst von billigem Wein an.
Ein Betrunkener,
seufzte Thea in Gedanken.
»Ich bin Conrad«, sagte der Mann und rülpste dabei leise.
»Seid Ihr ein Arzt?«
»Hab nie eine Universität besucht, wenn du das meinst, Mädchen, aber ich verstehe mich auf die Behandlung von Brüchen, Wunden, Verbrennungen und eben all dem, was ein Soldat in der Schlacht erleiden kann.«
»Euch schickt der Himmel.« Thea nahm ihn an die Hand und brachte ihn zu Martin in die Kate. Dort untersuchte Conrad den Durchschuß. Thea fiel auf, daß die Finger des Arztes zitterten.
»Könnt Ihr ihm helfen?« fragte sie nach einer Weile.
»Brauchst nicht so förmlich zu sein. Bin kein Offizier oder sonst jemand, dem man übertriebenen Respekt zollen müßte.«
»Trotzdem – könnt Ihr … kannst du diesen Mann heilen?«
»Er hat sicher viel Blut verloren, und womöglich stecken noch Splitter der Pistolenkugel in seinem Leib. Müßte sie entfernen, aber das könnte ihn das Leben kosten. Zumal ein starkes Fieber an seinen Kräften zehrt.«
»Und wenn du diese Splitter nicht entfernst? Wird er dann trotzdem sterben?«
Conrad nickte verhalten.
»Wenn es für ihn auch nur die geringste Chance gibt, einen solchen Eingriff zu überstehen, dann bitte ich dich, ihn auszuführen.«
»Wir rasten hier nur kurz, und während der Fahrt werde ich den Eingriff nicht vornehmen können. Unser Wagen ist beladen mit Männern, denen es nicht besser ergangen ist als deinem Begleiter«, meinte Conrad. »Ich hab mehr als genug Arbeit mit den Finnen, und das Heer ist zwei Tagesreisen von uns entfernt.«
»Du bist doch ein Christ. Ich bitte dich in Gottes Namen …«
Jöran Poutiainen legte eine Hand auf Conrads Schulter. »Sie hat recht. Wir sollten sie mit uns nehmen. Die Magdeburger haben genug gelitten. Wir haben etwas an ihnen gutzumachen.«
Thea bemerkte, wie Conrad ihren nur mit dem dünnen Hemd bedeckten Körper verstohlen musterte, und sie erkannte in seinem Blick einen lüsternen Ausdruck. Wenn das der Lohn war, den er sich erhoffte, so war sie durchaus bereit, ihn für Martins Leben zu entrichten. Dieser Trinker mochte kein ausgewiesener Fachmann auf seinem Gebiet sein, aber er war der einzige Arzt, der zur Verfügung stand.
Thea ergriff Conrads Hand und rückte näher an ihn heran, so daß ihre Brust seine Schulter streifte. Er schien damit nicht gerechnet zu haben, denn er sog tief den Atem ein, und sein Körper spannte sich.
»Hilf diesem Mann!« Sie beugte sich nah an Conrads Ohr und flüsterte ihm zu: »Dann werde ich alles für dich tun, was du willst.«
Conrad grinste erwartungsvoll und begriff anscheinend sofort, worauf sie anspielte. »Nun gut. Wir schaffen deinen Begleiter auf meinen Wagen«, sagte er. »Wenn das Fieber zurückgeht und er noch leben sollte, bis wir die Armee erreichen, nehme ich den Eingriff vor. Auch wenn
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