Der globale Eingriff
vier nebeneinander, benutzte den Kreiselverkehr, als sei es eine Kreuzung, bei der die Ampeln für ihn auf grün geschaltet waren. Das Ergebnis davon war, daß ein Ausgang völlig blockiert war und die Radfahrer, die den Kreisel bei diesem Ausgang verlassen wollten, endlos herumfahren mußten.
Die Anzahl der in der Falle steckenden Radfahrer und die Gefühlswallungen schraubten sich langsam hoch. Dies war ohne Zweifel einer der unverfrorensten Fälle von Verkehrsrowdytum, die Malcolm je gesehen hatte. Er fragte sich, warum die Fernsehkameras nicht schon längst ein Polizeifahrzeug auf den Weg geschickt hatten, um die Situation in den Griff zu bekommen. Es müßte schnell etwas geschehen, sonst würde es ernsthafte Schwierigkeiten geben.
Ein paar Sekunden später geschah es.
Es gab ein blechernes Krachen und metallisches Kratzen, und die Vorderräder von zwei Fahrrädern hatten sich ineinander verhakt. Die beiden Fahrer stürzten kopfüber über ihre Lenkstangen. Die nachfolgenden Fahrer versuchten, dem Hindernis auszuweichen, indem sie bremsten oder darum herumlenken wollten, aber somit stießen sie nur gegen wieder andere Räder und verschlimmerten das Chaos. Im Handumdrehen war ein großer Teil des Kreisels mit umgefallenen Fahrrädern und stöhnenden und fluchenden Menschen bedeckt, und der Verkehr war lahmgelegt.
Malcolm ritt um die Stätte der Karambolage herum zu seiner Frau, indem er die freie Zone direkt davor benutzte. Ann war bereits abgesessen und zerrte ärgerlich an der Befestigung ihrer Medizintasche.
„Erinnere mich“, sagte sie, „das nächstemal, wenn ich ein Picknick machen will, bitte daran, daß ich vorher mein Pferd schwarz anstreiche …“
Sie unterbrach sich, als eine Polizeisirene das Eintreffen der Gesetzesmacht ankündigte. Die verletzten Radfahrer hatten es offensichtlich nicht wahrgenommen, oder aber sie waren zu ärgerlich, um sich darum zu kümmern.
Malcolm hatte das alles schon zu Hause im Fernsehapparat gesehen – der kleinere Verkehrsstau, der sich innerhalb von Minuten in einen größeren Aufruhr ausweitete. Dieser folgte dem klassischen Muster des Stoßzeit-Verkehrs-Aufruhrs. Es gab die wenige Minuten anhaltende Stille, während der die Verletzten blutend oder leicht betäubt neben ihren Rädern lagen. Wegen der geringen Geschwindigkeiten waren die Verletzungen zumeist geringfügig, und viele von den Verletzten und Gestürzten rappelten sich schon wieder auf die Füße und hielten ihre unbezahlbaren Fahrräder über den Kopf, während sie über, zumeist aber auf die anderen Fahrer stiegen, die noch zu betäubt oder behindert waren, um selber aufstehen zu können.
Die Gemüter erregten sich, und Tritte wurden ausgetauscht, als die Leute, die schon standen, versuchten, sich und ihre Räder aus dem Chaos zu lösen und ihre Fahrt fortzusetzen.
Die unverletzten Fahrer, die sich nur wegen der Verstopfung nicht rühren konnten, wurden ungeduldig und versuchten das Gleiche zu tun. Die Menschen, die am Boden lagen, hatten etwas dagegen, daß man auf sie trat, und zwar sehr viel.
Männer und Frauen, wahrscheinlich sonst verantwortungsbewußte Bürger, begannen sich gegenseitig mit Fäusten, Füßen, Zähnen und Fingernägeln zu bekämpfen. Einige von ihnen schlugen mit ihren Fahrrädern aufeinander ein, indem sie die Geräte wie große, seltsame, unförmige Knüppel benutzten. Die Schmerzensschreie und Verwünschungen, der Anblick einer mörderischen Wildheit und der haßverzerrten Gesichtszüge der Jungen, der Alten, der Hübschen und der Häßlichen brachten Malcolm dazu, daß er seine Zähne vor Wehmut zusammenbiß und jeden Muskel in seinem Körper anspannte. Es war, als würde die Unvernunft der Kämpfenden durch einen aus der Luft kommenden Virus verursacht, der jeden ansteckte, der in Sicht- und Hörweite war.
Hört auf. schrie er sie unhörbar an. Denkt nach! Seid nicht so verdammt ungeduldig …!
Es gab keinen Zweifel, daß Ungeduld die Wurzel eines solchen Aufruhrs war, verstärkt noch durch allgemeine Enttäuschung, Hunger, leichte Erregbarkeit, Stolz und ein dickköpfiges Bestehen auf dem Recht des Radfahrers, die Straße zu benutzen. Um ein paar Minuten früher in der Fabrik anzukommen, setzten die Radfahrer ohne zu zögern Leib und Leben ein. Sie dachten von sich selber, sie seien die Arbeiterelite, Mitglieder einer teilausgebildeten Klasse, die das Recht hatten, außerhalb ihres Fabrikkomplexes zu wohnen, anders als die Fußgänger, die in tausendbettigen
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