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Der globale Eingriff

Der globale Eingriff

Titel: Der globale Eingriff Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James White
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entgegnete Ann, „versuche ich immer schnellstens, das Thema zu wechseln.“ Sie kam auf ihn zu, und ihre Hände schlüpften zwischen seinen gespannten und sich widersetzenden Armen hindurch um seine Hüften.
    Sie schmiegte sich näher an ihn heran, und er fühlte, wie sie ihn knapp unter dem Haaransatz am Nacken kraulte. Ihre Augen waren leicht nach oben gerichtet, und ihr Gesichtsausdruck war ernst, aber nicht mitleidig, da sie wußte, daß Mitleid das letzte war, was er momentan haben wollte. Sie sagte: „Wenn ich das tue, dann spannt sich deine Kopfhaut an. Manchmal zuckst du dann auch mit den Ohren.“
    Manchmal geschahen auch noch andere Dinge, diesmal jedoch nicht.
    Ann seufzte, bewegte sich aber nicht von der Stelle. „Ich glaube, du bist zu hart mit dem Inspektor umgesprungen. Mit dir selber auch. Aber mach dir keine Gedanken, er wird darüber hinwegkommen.“
    Ich auch, dachte Malcolm. Er sagte: „Klar, daß er wütend über den Verlust eines Freundes ist. Und da gerade weder ein Lukas noch ein Johannes da war, den er für Telfords Tod verantwortlich machen konnte, hat er seine Wut eben an mir ausgelassen. Wer aber eigentlich dafür verantwortlich ist, daß der Sergeant sterben mußte, sind jene, die die Bombe hergestellt und gelegt haben. Mein Teil an der Verantwortung ist sehr klein. Ich weiß das, und der Inspektor wird es auch erkennen, wenn er erst einmal darüber nachgedacht hat. Aber er hat etwas sehr Richtiges gesagt, nämlich, daß wir unmenschlich sind.
    Vielleicht nicht so rücksichtslos und unmenschlich wie diese Verschwörer, aber eines haben wir mit ihnen gemeinsam. Der Inspektor wollte, daß dem Sergeant eine Spezialbehandlung zukommt. Gut. Von den Hunderten von Bürgern aber, die jede Woche Opfer von Schlägereien, Polizeiaktionen und Unterernährung sind, werden nur ganz wenige zur Spezialbehandlung aufgenommen – die früher eigentlich ganz selbstverständlich und überhaupt nicht spezial war. Die anderen können wir nicht behandeln, wir müssen sie verbluten und verhungern lassen.
    Aber unterliegen wir nicht“, fuhr er fort, „wie die Anhänger des Johannes und Lukas einer Selbsttäuschung, wenn wir so wenig Gutes in dem alles umfassenden Bösen tun? Hier in unserem sterilen Elfenbeinturm stellt das Gute, das wir von einer gesicherten Position aus und mit moralischer Selbstgefälligkeit tun, so einen winzigen…“
    „Nein!“ sagte Ann scharf. „Das ist nicht das gleiche. Wir versuchen, den Menschen zu helfen, und nicht, sie abzuschlachten. Was können wir dafür, daß es viel zu wenig Krankenhäuser wie dieses hier gibt und viel zu viele Menschen?“ Er bemerkte, daß sie anfing zu zittern. „Du… du spielst einfach nicht fair.“
    Nein, dachte Malcolm. Ich spiele einfach nicht fair. Da sie die Genehmigung bekommen hatten zu heiraten, aber ihren Berufsstatus und ihre Anstellung im Krankenhaus verlieren würden, wenn sie Kinder bekommen sollten, herrschte eine ungeschriebene und unausgesprochene Übereinkunft zwischen ihnen dahingehend, daß im Falle einer gefühlsmäßigen Spannung zwischen ihnen das Sehen-und-gesehen-werden-Gesetz in Kraft trat.
    Wenn Malcolm in einem emotionellen Tief war, dann würde Ann oben bleiben und versuchen, ihn herauszuziehen. Genauso funktionierte es umgekehrt. Ann blieb öfter oben, redete vernünftig mit ihm, blieb still, wechselte das Thema oder tat, was sonst angebracht erschien. Gelegentlich war auch er an der Reihe, das Notwendige zu tun, und manchmal waren sie beide auf der Höhe, und dann war die ganze Zeit Weihnachten. Aber noch niemals zuvor waren sie beide so nahe daran gewesen, in ein hoffnungsloses Tief zu kommen, und Ann bekam Angst. Heute war einfach viel zuviel geschehen. Die Bedeutung hinter diesem Geschehen schien sich wie eine riesengroße, unbarmherzige Flutwelle aufzubauen, die drohte, ihr privates kleines Gesetz zusammen mit der ganzen schrecklichen und gefährlich wackelnden Gesellschaftsordnung hinwegzuschwemmen. Malcolm half ihnen um keinen Zentimeter weiter, wenn er seine Selbstzweifel so darlegte, wie er es getan hatte.
    Er legte seinen Arm um ihre Hüfte und hielt sie fest, bis sie zu zittern aufhörte und sich zu entspannen begann, dann sagte er: „Du hast recht, ich halte mich nicht an die Regeln. Wir sollten vielleicht einfach das Thema wechseln.“
    Ann nickte und sprach erleichtert. „In sechs Stunden haben wir wieder Dienst. Wenn du das Bett herrichten würdest, während ich den Rest der Möbel

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