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Der globale Polizeistaat

Der globale Polizeistaat

Titel: Der globale Polizeistaat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Darnstädt
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hat.
    Ist das eigentlich Krieg, was europäische Soldaten da in Afghanistan betreiben? Krieg hießen früher die useinandersetzungen
mit fremder Staatsgewalt. In Afghanistan und Pakistan geht es gegen Terroristen, gegen das organisierte Verbrechen, gegen gewalttätige Rebellen. Wenn es kein Krieg ist - was ist es dann? »Kein Krieg« sei das, hat der französische Außenminister Bernard Kouchner zur Beruhigung seines Parlaments im Herbst 2008 verkündet, die Aktion in Afrika sei »kriegsähnlicher Kampf«. Aha.
    Die alte Ordnung, in der jeder Staat sich um die eigene Sicherheit, die eigenen Verbrecher kümmerte, in der außerhalb der eigenen Grenzen nur Diplomatie oder notfalls Krieg möglich war, weicht auf. Die europaweit agierende Einsatzzentrale in Uedem ist auf der großen Weltkarte der transnationalen Terrorabwehr nur ein winziges Fähnchen. Eine kleine Dienststelle eines globalen Polizeiapparates gegen den Terror.

»Frieden wird Krieg und Krieg wird Frieden«
    Das Böse verändert die Welt und die Sprache - Das Bild des
Innenministers an der Wand lässt die Grenzen des Rechts
verschwimmen - Bürger und Staat untergehakt - Das Crime /
War-Dilemma
     
    1500 Tracks am Himmel. Das ist die Lage über Nordeuropa. Jede Flugbewegung am Himmel erscheint als kleiner weißer Kreis mit Nummer dran auf dem Luftlagebild an der Projektionswand im Kontrollraum. Ein Gewimmel wie Sperma unterm Mikroskop. Jeder Kreis hat ein Schwänzchen, das zeigt die Flugrichtung des Objekts, die vorgesehene Flugrichtung. Alle Flugpläne aller luggesellschaften sind bekannt. Schwenkt ein Kreis seinen Schwanz planwidrig, wird er gelb. Oberst Joachim Bohn spießt mit seinem Leuchtpfeil den gelben an der Wand auf: »Den behalten wir im Auge.« Der Kollege von der Bundespolizei nickt zustimmend. Gelb ist kein Grund zur Aufregung, Gelb gibt’s ein paar Mal am Tag.

    Der, dessen Bild neben der Projektionswand hängt, Wolfgang Schäuble, erzählt seinen Leuten gerne die Anekdote aus seiner Zeit als Helmut Kohls Kanzleramtschef. Als es darum ging, Bonn für den Empfang wichtiger Staatsgäste zu sichern, habe ihm der zuständige Mann vom Bundesgrenzschutz versichert, der Luftraum über der Bundeshauptstadt sei »selbstverständlich gesperrt«. Und was, habe der junge Kanzleramtsmann gefragt, tun wir, wenn sich einer nicht dran hält?
    »Der bekommt einen Bußgeldbescheid.«
    Ja, lacht nur. Der Innenminister erzählt die Geschichte, um zu belegen, wie sorglos sein Staat konstituiert, wie wenig er für die unheimliche Bedrohung gerüstet ist. Die Sorge vor dem, was möglich ist, vor der nbeschreiblichen Bedrohung, sprengt nicht nur die herkömmlichen Handlungsoptionen von Polizei und Militär. Die unbegrenzbare Sorge, umgemünzt in die politische Verantwortung eines Innenministers, sprengt die Fundamente des Rechtsstaates. Innenminister, Schäuble zumal, gelten meist als Scharfmacher, das ist ihr Job. Doch wer will dieser Analyse widersprechen: »Ob völkerrechtlicher Angriff oder innerstaatliches Verbrechen, ob Kombattant oder Krimineller, ob Krieg oder Frieden: Die überkommenen Begriffe verlieren ihre Trennschärfe und damit ihre Relevanz. Der neue Terrorismus lässt die traditionelle Grenze zwischen innerer und äußerer Sicherheit verschwimmen.«
    Die Bedrohungen, um die es hier geht, verändern tatsächlich die Welt, schon bevor sie wahr geworden sind. Es ist nicht nur die Flut an Sicherheitsvorkehrungen, mit der man nun an jedem Flughafen, an Eingängen zu öffentlichen Gebäuden konfrontiert ist, es ist nicht nur das nervende Verbot, seine Zahnpastatube mit an Bord eines Flugzeugs zu nehmen. Der Schaden betrifft schon jetzt die ganze Zivilisation, die wir als »westliche« bezeichnen. Er betrifft unsere Art zu denken und zu sprechen. Der Münchner Soziologe Ulrich Beck, ein Mann, der Politik gern auf den Punkt bringt, beklagt den »Zusammenbruch der Sprache« durch das neue Sicherheitsdenken. Uns fehlen ja nicht nur die Worte,
um dieses Niemandsland des Möglichen zwischen Krieg und Frieden zu beschreiben. Auch vertraute Worte bekommen plötzlich einen neuen Sinn. Das Phänomen kommt, wie der Krieg gegen den Terror, aus den USA. Über den Kulturbruch, den die Bush-Regierung aus Erschrecken über die Katastrophe von New York beging, schreibt der britische Schriftsteller John Berger: »In den sich ständig wiederholenden Reden, Erklärungen, ressekonferenzen und Drohungen sind die immer wiederkehrenden Begriffe Demokratie, Gerechtigkeit,

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