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Der Glöckner von Nôtre Dame - Hugo, V: Glöckner von Nôtre Dame

Der Glöckner von Nôtre Dame - Hugo, V: Glöckner von Nôtre Dame

Titel: Der Glöckner von Nôtre Dame - Hugo, V: Glöckner von Nôtre Dame Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Victor Hugo , Pößneck GGP Media GmbH
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Dichtung werde gehört werden. Doch ach, auch hierin ward er bald getäuscht, wie in den übrigen Träumen seiner Hoffnung. Im Publikum herrschte einige Stille; allein Gringoire hatte nicht bemerkt, daß in dem Augenblick, wo der Kardinal den Befehl zum Weiterspielen gab, die Galerie bei weitem noch nicht gefüllt war. Nach den flamländischen Gesandten kamen neue Personen, deren Namen, von der kreischenden Stimme des Türhüters mitten in den Dialog geschleudert, dort beträchtliche Verwüstung anrichteten. Man denke sich mitten in einem Drama das Gekreisch eines Türstehers als Parenthese zwischen zwei Versen! Es war unerträglich!
    Gringoire ward über diese sonderbare Begleitung seiner Verse, durch die es schwer ward, dem Stück zu folgen, um so mehr empört, als er sich nicht verheimlichen konnte, wie die Teilnahme immer stieg, und wie seinem Werke weiter nichts fehlte, als daß man es hören konnte. Es war wirklich schwierig, sich eine innigere und mehr dramatische Verschlingung zu erdenken. Die vier Personen des Prologs klagten in ihrer furchtbaren Verlegenheit, als Venus in Person (vera incessu patuit dea) in einem schönen Kleide auftrat, worauf das Wappen der Stadt Paris, ein Schiff, gestickt war. Sie nahm jenen der schönsten Frau versprochenen Delphin für sich selbst in Anspruch. Jupiter, dessen Donner man im Ankleidezimmer schon brüllen hörte, kam herbei, sie zu unterstützen, und die Göttin war im Begriff, den Sieg davonzutragen, das heißt, einfach gesprochen, den Herrn Dauphin zu heiraten, als ein kleines, in weißen Damast gekleidetes Kind erschien, das, als deutliche Personifizierung der Prinzessin von Flandern eine Perle in der Hand trug, um mit Frau Venus zu kämpfen. Ein wahrer Theatercoup und zugleich die entscheidende Wendung des Stückes. Nach einigem Zank waren Venus, Margareta und die Allegorien übereingekommen, sich auf das scharfsinnige Urteil der heiligen Jungfrau zu berufen. Außerdem war noch eine schöne Rolle die Leiter hinaufgestiegen, Dom Pedro, König von Mesopotamien, aber bei den vielen Unterbrechungen konnte man nicht unterscheiden, wozu sie eigentlich da war.
    Aber es ist um das Stück geschehen. Denn ach, Meister Coppenole, der Strumpfmacher, steht plötzlich auf, und Gringoire vernimmt, wie er mitten in allgemein gespannter Aufmerksamkeit die fluchwürdige Rede hält:
    „Ihr Herrn Bürger und Junker von Paris! Gottes Kreuz, mir ist unbegreiflich, was wir hier treiben! Ich sehe dort im Winkel auf dem Gerüst Leute, die sich das Ansehn geben, als wollten sie sich schlagen; ich weiß nicht, ob das ein Mysterium ist, wie ihr’s nennt, aber es ist langweilig; sie zanken sich mit der Zunge und tun weiter nichts. Schon seit einer Stunde erwarte ich den ersten Schlag; nichts kommt; es sind Memmen, die sich mit Schimpfwörtern kratzen. Man hätte Faustkämpfer aus London und Rotterdam kommen lassen sollen; dann sähet ihr Faustschläge, die man weithin gehört hätte; das wäre schön! Aber dies da ist erbärmlich! Sie sollten wenigstens einen Mohrentanz oder eine andere Mummerei zum besten geben. Von dem da hat man mir nichts gesagt, sondern ein Narrenfest und die Wahl eines Narrenpapstes versprochen. Auch wir haben in Gent unsern Narrenpapst, und Gottes Kreuz! Hierin stehen wir keinem nach. Aber wir machen’s so: Man versammelt sich, wie hier; dann steckt jeder nach der Reihe seinen Kopf durch ein Loch und schneidet den andern eine Fratze; derjenige, dessen Fratze die häßlichste ist, wird unter dem Zuruf aller zum Papst gewählt. Das ist sehr spaßhaft. Wollt ihr, daß wir euern Papst nach der Sitte meines Landes wählen? Das ist immer weniger langweilig, als diese Schwätzer zu hören. Wollen sie ebenfalls ihre Fratze in der Luke schneiden, so sollen sie mitspielen. Was meint ihr, ihr Herren Bürger? Hier ist ein wunderliches Gemisch beider Geschlechter, und wir haben hier genug häßliche Gesichter, um eine schöne Fratze zu schneiden.
    Der Vorschlag des Strumpfmachers ward mit solcher Begeisterung von den Bürgern aufgenommen, die sich geschmeichelt fühlten, Junker genannt zu werden, daß jeder Widerstand nutzlos war. Man mußte dem Strome folgen. Gringoire verbarg sein Antlitz mit beiden Händen.

5. Quasimodo
    In einem Augenblick war alles bereit, Coppenoles Einfall zur Ausführung zu bringen. Bürger, Studenten und Gerichtsschreiber legten Hand ans Werk. Die der Marmortafel gegenüberliegende kleine Kapelle ward zum Theater für die Fratzen ausgewählt. Eine

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