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Der Glöckner von Nôtre Dame - Hugo, V: Glöckner von Nôtre Dame

Der Glöckner von Nôtre Dame - Hugo, V: Glöckner von Nôtre Dame

Titel: Der Glöckner von Nôtre Dame - Hugo, V: Glöckner von Nôtre Dame Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Victor Hugo , Pößneck GGP Media GmbH
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Atem war, dann aber, weil ein Zwiespalt in seiner Seele aufstieg und ihn beim Kragen packte. „Mir scheint Meister Peter Gringoire“, sprach er zu sich selbst, indem er den Finger an die Stirn legte, „daß Ihr wie ein Verrückter fortrennt. Die kleinen Schelme fürchten sich nicht weniger vor Euch, Ihr hörtet den Lärm ihrer Holzschuhe, die nach Süden flohen, während Ihr nach Norden Euren Lauf richtet. Nun ist eines von zwei Dingen möglich; entweder sind sie geflohen, und dann ist jener Strohsack, den sie im Schrecken zurückließen, eben das gastliche Bett, was Ihr schon seit heute morgen sucht, und das die Frau Jungfrau Euch wunderbarerweise sendet, um Euch dafür zu belohnen, daß Ihr zu ihren Ehren eine Moralität mit Triumphen und Mummereien dichtet; oder die Knaben sind nicht geflohen, und in dem Fall haben sie den Strohsack angezündet; dann habt Ihr gerade ein treffliches Feuer, Euch zu erquicken, zu trocknen und zu wärmen. In beiden Fällen, ein schönes Feuer oder ein schönes Bett, ist der Strohsack ein Geschenk des Himmels. Die gebenedeite Jungfrau Maria in dem Winkel der Straße Mauconseil ließ vielleicht Eustache Moubon nur deshalb sterben. Ihr seid ein Tor, wie ein Abdecker oder wie ein Picardier vor einem Franzosen, zu fliehen und hinter Euch zu lassen, was ihr vor Euch sucht. Ihr seid ein Dummkopf!“
    Er kehrte zurück, suchte sich forschend zurechtzufinden, steckte die Nase nach dem Wind und lauerte mit den Ohren; kurz, suchte mit allen Kräften den geliebten Strohsack wieder aufzufinden. Allein alles vergeblich. In diesen Verwicklungen dunkler und enger Straßen ward er mehr verhindert und festgehalten, als selbst in den Irrgängen des Hotel de Tournelles; endlich verlor er die Geduld und rief feierlich: „Verflucht seien die Kreuzwege! Der Teufel schuf sie nach dem Bilde seiner Gabel!“ Dieser Ausruf erleichterte ihn ein wenig; und eine Art rötlichen Reflexes, den er am Ende einer langen und schmalen Gasse erblickte, richtete vollends seinen Mut wieder auf. „Gottlob!“ sagte er, „dort unten brennt mein Strohsack!“ und sich einem Steuermanne vergleichend, dessen Schiff im Dunkel umhergeschleudert wird, fügte er fromm hinzu: „Salve, salve, maris stelle.“*

    * Lateinisch: Sei gegrüßt, Stern des Meeres
    Kaum war er einige Schritte in dem langen, abwärtsgehenden, ungepflasterten Gäßchen, das immer kotiger und steiler ward, vorwärtsgewandelt, so bemerkte er dort etwas sehr Sonderbares. Es war nicht einsam; hier und dort krochen längs des Gäßchens ungestaltete und unbestimmte Massen auf den Feuerschein zu, der am äußersten Ende flimmerte; sie glichen jenen schwerfälligen Insekten, welche sich des Nachts von Grashalm zu Grashalm zum Feuer des Hirten hinschleppen.
    Nichts erweckte größere Lust zu Abenteuern als der Umstand, daß man in der Tasche eine vollkommene Leere fühlt. Gringoire fuhr fort, vorwärts zu wandeln, und hätte bald eine Gestalt erreicht, die sich am trägsten hinter den andern herschleppte. Als er nähertrat, bemerkte er, daß es ein elender Krüppel war, der wie eine verwundete Spinne, die nur noch zwei Beine hat, auf den Händen forthüpfte. Als er bei dieser Spinne mit menschlichem Antlitz vorbeiging, redete sie ihn mit kläglicher Stimme an: „La buona mancia, Signor! La buona mancia.“*

    * Italienisch: Ein gutes Trinkgeld, Herr! Ein gutes Trinkgeld !
    „Der Teufel soll dich holen und mich mit dir“, sagte Gringoire, „wenn ich ein Wort von dem, was du willst, verstehe.“ Er ging weiter und erreichte eine andre jener wandelnden Massen. Es war ein Lahmer, hinkend und einarmig in dem Grade, daß die merkwürdige Art seiner Krücken und seines hölzernen Beines ihm das Ansehen eines in Bewegung befindlichen Maurergerüstes gab. Gringoire, der edle und klassische Vergleiche liebte, verglich ihn in Gedanken mit dem lebenden Dreifuße Vulkans. Dieser lebende Dreifuß grüßte ihn im Vorbeigehen, hielt aber seinen Hut bis an die Höhe von Gringoires Knie, wie ein Barbierbecken, und schrie ihm ins Ohr: „Senor caballero para comprar un pedazo de pan!“*

    * Spanisch: Herr Ritter, gebt mir etwas Brot zu kaufen.
    „Es scheint“, sagte Gringoire, „der spricht auch, aber in einer rauhen Sprache, und wenn er sie versteht, ist er glücklicher als ich.“
    Er wollte seine Schritte verdoppeln; doch zum drittenmal versperrte ihm etwas den Weg. Es schien weit eher eine Sache, als ein Mensch zu sein, und es war ein kleiner Blinder mit jüdisch

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