Der Glucksbringer
zufällig auf das Datum von Lady Corinne O’Maras Geburtstag. Im Ort drängten sich die Farmer aus der Umgebung, Mühlenknechte und Minenarbeiter sowie deren Frauen, die die angebotenen Waren inspizierten und auf ein preiswertes Schnäppchen hofften. An solchen Tagen mutete der
Dorfplatz direkt festlich an, mit bunt geschmückten Marktständen, an denen alles nur Erdenkliche zum Kaufen und Handeln feilgeboten wurde. Den ganzen Morgen über saß Liam an seinem Ladenfenster und fieberte darauf, einen Blick auf die Kutsche des Earl of Bonham zu erhaschen. Der Earl würde in Begleitung seiner Tochter Corinne sein. Nach dem Mittagessen war der junge Mann mit ihr hinter dem Fox in the Hollow verabredet, obschon ihm eine solche Heimlichtuerei beileibe nicht behagte. Die Idee war auch nicht auf seinem Mist gewachsen, sondern stammte von Corinne. Das sonst so couragierte, selbstbewusste Mädchen schien skeptisch, dass ihr Vater ihrer Beziehung auf die Schliche kommen und versuchen könnte, sie auseinanderzubringen.
Solange Liam sich entsinnen konnte, hatte er für die Grafentochter geschwärmt. Angefangen hatte es in der Schule, als sie Lesen und Schreiben gelernt hatten. Schon als achtjähriger Knirps fühlte er sich zu dem bezaubernd hübschen Mädchen hingezogen; eine Dumme-Schuljungen-Liebelei, die selbst dann nicht geendet hatte, als ihr Vater ihr Privatunterricht hatte erteilen lassen. Sonntags, in der Messe in der katholischen Kirche St. Finbar’s, hatte er aus der Ferne bewundert, wie sie zu einer reizenden jungen Dame heranwuchs. Im letzten Sommer, auf dem Herbstfest im Dorf, hatten sie stundenlang miteinander getanzt, was ihrem Bruder, Lord Edward, gottlob gar nicht aufgefallen war. Später hatten sie einander in der Scheune neben dem Wirtshaus umarmt und geküsst, und Corinne hatte darauf gedrängt, dass sie sich heimlich treffen sollten. Aus ihrer anfänglichen Zuneigung war Liebe geworden.
Zu diesem Zeitpunkt hätte Liam zu allem Ja und
Amen gesagt, nur um bei ihr sein zu können, aber nach dem langen bitterkalten Winter hatte er die heimlichen Rendezvous restlos satt. Alle sollten erfahren, dass er Corinne liebte und dass sie seine Gefühle erwiderte. Und heute war es endlich so weit. Seine linke Hand glitt in die Jackentasche und ertastete das Stückchen Samt, worin die Brosche eingeschlagen war. Er spielte nervös an seiner Krawatte herum. Das einengende Gefühl war störend, denn er war es nicht gewöhnt, formelle Kleidung zu tragen.
Heute, an ihrem achtzehnten Geburtstag, hatte er sich fest vorgenommen, Corinne einen Heiratsantrag zu machen, und wenn sie ihn erhörte, würde er ihr einen hinreißend schönen Verlobungsring arbeiten. Bei der Vorstellung erhellte ein Lächeln seine ernsten Züge. Er war zwar nicht reich, hatte aber ein gutes Einkommen, das ihnen ein angenehmes Leben ermöglichen würde – wenn auch nicht so luxuriös wie in Bonham Hall. Er reckte den Kopf, als er den eleganten schwarzen Zweispänner gewahrte. Wie schön, sie saß in der Kutsche! Sein Herz raste vor Glück. Jetzt musste er nur noch warten, bis sie und ihr Vater in dem Gasthaus gegessen hatten. Nachher – zum Glück war der Earl ein Mann mit festen Gewohnheiten – würde Lord Patrick sich mit Richter Portman und Dr. Lucius Flynn, beides Freunde von ihm, in das Raucherzimmer zurückziehen und bei Brandy und Zigarre entspannen. Dann durfte Corinne bis zum Spätnachmittag über den Markt schlendern. Was der Earl indes nicht wusste, war, dass sie ihrer jungen Zofe freigeben würde, damit diese sie nicht verpetzte.
Corinne genoss die ersten Sonnenstrahlen, eine willkommene Abwechslung nach der winterlichen Kälte.
Nachdem sie ihrem Vater zum Abschied hastig einen Kuss auf die Wange gehaucht hatte, nickte sie dem Richter und dem Arzt lächelnd zu und verließ das Gasthaus. Sie wartete neben der Grenzmarkierung von Farmer Martins Feldern, die frisch gepflügt und eingesät waren.
Den ganzen Morgen, nein, auch schon in der Nacht hatte sie sich auf das Wiedersehen mit Liam gefreut. Dass sie sich heimlich trafen, verstärkte die Empfindungen des jungen Mädchens, die bohrende Sehnsucht, mit ihm zusammen zu sein und sich ihm ganz zu schenken. Plötzlich dachte sie an das Gespräch, das sie nach dem gestrigen Abendbrot mit ihrem Vater geführt hatte, und ihr hübsches Gesicht verdunkelte sich. Der Earl war ein eigenwilliger Kopf, egoistisch, ehrgeizig und erzkonservativ. Trotzdem liebte sie ihn von ganzem Herzen, auch wenn er sich
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