Der Glucksbringer
bisweilen wie ein Grobian aufführte. So hatte er sich bitter darüber beklagt, dass sie im letzten Jahr sämtliche Verehrer und Eheaspiranten abgewiesen hatte. Nachdem Edward Beatrice geheiratet und dem Grafen bereits einen Erben geschenkt hatte, war es sonnenklar, dass der Graf seine Tochter ebenfalls unter der Haube wissen wollte. Ein matter Seufzer entwich ihren Lippen. Wie könnte sie jemand anderen als ihren heimlichen Schatz heiraten? Ihr Herz gehörte nun einmal dem attraktiven Liam Westaway mit seiner zärtlichen Stimme und seinem umwerfenden Charme. Alle anderen Verehrer verblassten neben ihm. Sie spähte versunken zum Himmel und gewahrte ein paar einzelne dunkle Wolken, die sich dort oben zusammenballten. Was wohl Liams Mutter dazu sagen würde, wenn sie sich verlobten?
Bevor sie weitergrübeln konnte, wurde sie von hinten
gepackt und herumgewirbelt. »Liam«, schalt sie ihren Angreifer scherzhaft. »Du hast mich fast zu Tode erschreckt!«
Er schloss das Mädchen in seine Arme, küsste sie auf Stirn und Wangen. Seine Lippen fanden ihren Mund, besiegelten ihn mit einem ungestümen Kuss. »Grundgütiger, meine schöne Corinne, das wäre das Letzte, was ich wollte!« Sein Grinsen war unwiderstehlich. »Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag, mein Schatz.« Ihr nachsichtiges Lächeln signalisierte ihm, dass sie ihm den stürmischen Überfall verzieh.
»Wohin gehen wir?«
Er überlegte für einen kurzen Moment. »Wir könnten in die Kirche gehen. Vater Conway nimmt die Beichte erst nach der Vesper ab. Oder in den Mietstall – allerdings hab ich eben gesehen, wie Ben, der Stallknecht, dort verschwunden ist. Vermutlich repariert er Geschirre und Deichseln. Was hältst du davon, wenn wir uns in eure Kutsche setzen und die Blenden runterlassen?« Er zwinkerte ihr verschwörerisch zu.
Obwohl sie wusste, dass sein Vorschlag nicht ganz ernst gemeint war, sprühten ihre braunen Augen vor Begeisterung über seinen verwegenen Einfall. »Was ist mit der Brücke unten am Fluss? Wir könnten uns dort auf die Bank setzen. Da ist es bestimmt schön sonnig.«
Er küsste sie erneut, zärtlich und lange. »Klingt verlockend.«
Corinne löste sich aus seiner Umarmung und lief vorsichtshalber allein durch das Dorf. Sobald sie sich unbeobachtet wähnten, gesellte Liam sich wieder zu ihr, und sie schlenderten händchenhaltend zum Fluss hinunter, wo eine verwitterte Holzbank stand.
Liam konnte es kaum erwarten, Corinne sein Geschenk
zu überreichen. Kaum saßen sie, da fischte er das Stoffpäckchen aus seiner Jackentasche und gab es ihr in die Hand. »Für dich, zum Geburtstag«, verkündete er.
Sie öffnete geradezu andächtig das Stückchen dunkelblauen Samt und enthüllte die Brosche. »Oh!«, staunte sie. Und atmete tief ein. »O Liam, sie ist wunderschön! Du hast sie selbst entworfen, nicht wahr?«
Er grinste. »Extra für dich. Gefällt sie dir?«
Sie strahlte, ihre Augen glänzten. »Ich liebe sie. Dieser faszinierende Stein, die Farbe ist sehr ungewöhnlich.«
»Das ist ein Topas. Er harmoniert mit der Farbe deiner Augen.« Er nahm die Brosche und drehte sie auf die Rückseite. »Ma wollte unbedingt, dass ich einen ihrer Zaubersprüche eingraviere. Zum Glück war genug Platz. Sie meint, du sollst mit dem Zeigefinger die Worte berühren, bevor du sie trägst.« Corinne hing an seinen Lippen. »Komm, ich steck sie dir an.«
»Ich werde sie immer tragen«, versprach das Mädchen feierlich.
Er wurde ernst. »Eigentlich wollte ich dir etwas anderes zum Geburtstag geschenken. Ich hätte dir lieber...« Er hielt inne und setzte stirnrunzelnd hinzu: »Ich hätte dir viel lieber einen Ring geschenkt. Einen Verlobungsring.« Seine Hände drückten zärtlich die ihren. »Ich liebe dich, Corinne. Ich habe dich immer geliebt. Willst du mich heiraten?«
2
J a, Liam, es ist mein sehnlichster Wunsch«, wisperte sie. Sie träumte seit Monaten von diesem Augenblick, hatte ihn sich unterbewusst in glühenden Farben ausgemalt. Ihr schwindelte vor Glück. Liam liebte sie, und sie liebte ihn. Sie würden ein Paar werden und für immer zusammenbleiben. Plötzlich schoben sich dunkle Wolken vor die Sonne, tauchten die Bank und den Strom in kühlen Schatten. Corinne schauderte unwillkürlich. O Schreck, ihr Vater! Patrick O’Mara würde dieser Verbindung sicher nicht zustimmen. Er hatte mit wachsendem Unmut beobachtet, wie sie die Avancen des Ehrenwerten Randolph Swayne, eines stämmigen Generals im Ruhestand und seines Zeichens
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