Der glücklose Therapeut - Roman
beunruhigten mich, während ich Jeffrey zusah, der seine Hände ins Innere des Motors schob, ein defektes Teil aus der Tiefe zog und es durch ein schimmerndes neues ersetzte. Ich beneidete ihn. Ich beneidete ihn, weil er ein defektes Teil einfach durch ein neues ersetzen konnte, weil er in die Fußstapfen unseres Vaters getreten war und heute erfolgreich und glücklich die Werkstatt der Familie leitete, deren Name draußen auf dem Schild in leuchtend roten Lettern über der Darstellung eines Autos und eines dicken schwarzen Schraubenschlüssels prangte. Hauptsächlich aber beneidete ich ihn, weil ich glaubte, dass Sam ihn immer noch gelegentlich umarmte.
22
I ch traf meinen Vater in Tudor Towers in seinem Zimmer an; er lag mit geschlossenen Augen im Bett, während Lachen aus dem Fernseher schallte, die Stimmen von Menschen, die längst tot waren. Ich schaltete den Apparat aus. Er rührte sich nicht. Ich setzte mich auf den Stuhl neben seinem Bett. Er fing leise an zu schnarchen und gab einen unregelmäßigen Pfeifton von sich, obwohl sein Atem scheinbar ruhig und mühelos ging. Seine Hände lagen an den Seiten, runzlig und ledern wie Eidechsenhaut, und sein Mund stand ein wenig offen. Er wirkte friedlich und traurig.
» Wie geht es dir, Dad? « , fragte ich leise. Er antwortete nicht. Er schlief.
» Draußen ist es heiß « , sagte ich. » Du würdest sagen, ein guter Zeitpunkt, um den Preis für die Kühlflüssigkeit zu senken, richtig? «
» Ich wünschte, alles wäre anders gekommen « , sagte ich. » ›Mach dich ran, Junge.‹ Das würdest du sagen. ›Selbstmitleid ist ein Luxus für Reiche. Wir hier sind Arbeiter. Das Leben ist kein Penis, Junge; das Leben ist immer hart. Ha ha.‹ « Ich lächelte vor mich hin. Er atmete langsam; seine Augäpfel bewegten sich nach einem willkürlichen Muster unter den faltigen Lidern.
» Alex hat mich verlassen « , sagte ich. » Du würdest wahrscheinlich sagen: ›Welche Frau verlässt einfach so ihren Mann?‹ Ja, das würdest du sagen. Und ich wollte, ich wüsste darauf eine Antwort. Ich wünschte, die Antwort würde lauten: ›Eine schreckliche Frau.‹ Aber das ist nicht die Antwort. «
In diesem Augenblick öffnete er die Augen und hustete laut. Ich stand auf und beugte mich über ihn.
» David « , murmelte er. » David? « Seine Augen starrten in den Raum, ohne etwas zu sehen.
Mein Vater wurde zusehends schwächer. In gewisser Weise war er bereits teilweise verschwunden. Ich fragte mich, welche Bedeutung mein Name in seinem Gehirn innehatte. »David. David.« Ich versuchte herauszufinden, was diese Worte für ihn bedeuten könnten, was er sich wünschte oder wonach er sich sehnte – welches Licht noch zwischen den Trümmern seines Gehirns flackerte. Ich dachte, wenn ich herausfinden könnte, was er meinte, wenn er meinen Namen sagte, dann würde ich wenigstens mehr für ihn tun, als einmal in der Woche stumm und verstört von seinem stetig tröpfelnden Geplapper neben ihm zu sitzen. Vielleicht könnte ich schließlich doch noch etwas für ihn tun. Doch wie ein Gehirn ergründen, dessen Struktur so willkürlich und gleichzeitig so erbarmungslos zerstört wird? Ich wusste keine Lösung.
» Die Demenz ist ein Desaster « , sagte John Savoia später im Blind Mule Bistro. » Das Gehirn entwickelt sich nach einem planmäßigen Muster. Der Aufstieg, der Marsch zur Meisterschaft, verläuft nach genauen Regeln. Doch der Abstieg ist ein böses Durcheinander. Wie ein Tornado, der durch ein Wohnviertel fegt. Das eine Haus wird dem Erdboden gleichgemacht, während das daneben unberührt stehen bleibt. Unmöglich vorherzusagen oder darin ein Muster, einen Sinn zu erkennen. «
» Ich habe das Gefühl, dass ich etwas tun müsste und es nicht tue « , sagte ich.
» Du tust, was zu tun ist « , sagte John.
» Mit anderen Worten, nichts. «
» Mit anderen Worten, alles « , nickte er.
23
Der zweite Versuch
E in Telefon, das mitten in der Nacht klingelt, lässt Schlimmes befürchten. Gute Nachrichten warten still und leise, bis sie an der Reihe sind. Schlechte Nachrichten schreien, schubsen und drängeln sich vor.
» Ja « , ächzte ich ins Telefon und versuchte mich, so plötzlich geweckt, zurechtzufinden.
» Doktor, es tut mir leid. Ich habe etwas Dummes angestellt, ich … «
» Barry, wo sind Sie? «
» Zu Hause. Zu Hause « , wimmerte er. » Ich brauche Hilfe. «
» Was ist passiert? «
» Da ist Blut … «
» Haben Sie sich geschnitten? «
» Ich … ja
Weitere Kostenlose Bücher