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Der Gluecksmacher

Der Gluecksmacher

Titel: Der Gluecksmacher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Sautner
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wehren konnte. Einige Sekunden musste Dimsch verstreichen lassen, um wieder klar denken zu können. Es war, versuchte er sich zu beruhigen, ein Angriff mit einer sehr einfachen, sehr primitiven Waffe gewesen, der gewiss mehr über Großburgs Art verriet, als ihr lieb war, entsprach die Attacke doch einem beiläufigen Tritt, den jemand einer Katze versetzt, anstatt sich an ihr zu freuen, anstatt Teil zu haben an ihrer Geschmeidigkeit.
    Die einzig angebrachte Reaktion wäre gewesen, dachteDimsch, die Natur, der diese Bösartigkeit entsprungen war, prompt zu erkennen, deren Ton einzustufen als nicht würdig für den menschlichen Gebrauch und sie folgerichtig souverän ins Leere gehen zu lassen. Doch dafür war es zu spät. Der Schmerz war eingedrungen und eben dabei, sich festzusetzen. Nun galt es, das beklemmende Gefühl, das bis in die feinsten Verästelungen seiner Nervenbahnen ausstrahlte, rasch wieder loszuwerden.
    Dimsch versuchte es mit feinsinniger Rache.
Abgesehen davon,
tippte er,
dass eine Frage keine fünf Rufzeichen bedingt, sondern lediglich ein einziges Fragezeichen, freut es mich, mitzuteilen, dass die Umfrage bereits fertig ist, und zwar VOR dem zwischen uns vereinbarten Termin. Ist es dir recht, wenn ich in einer Stunde zu dir ins Büro komme?
    Nein, um 11.45,
kam Sekunden später als Antwort.
    Dimsch sah auf die Uhr. Sie zeigte 10 Uhr 44.

    Dass Irene Großburg mit allen Mitarbeitern per du war, lag an ihrem Stil, das Unternehmen, wie sie gern erwähnte,
jung und frisch
zu führen. Nun war es nicht etwa so, dass dieser junge, frische Stil wie selbstverständlich einherging mit einem kollegialen oder gar freundschaftlichen Umgangston. Irene Großburg nämlich verstand sich als ausschließlich zielorientierte Managerin, und nur manchmal hießen die Wege zu ihren Zielen Kollegialität und Freundlichkeit.
    Dass sie einen Managementstil wählte, der nicht ausschließlich ihrer konservativ großbürgerlichen Herkunft entsprach, lag daran, dass sie sich für aufgeschlossen hielt, für eine Frau von Welt, die stets dazulernte, stets Bescheid wusste, was gerade
State of the art
war und
hip
am Markt der Strategen, Coaching-Gurus und Motivforscher. So war sie also mit allen Mitarbeitern per du, hatte für alle ihre Untergebenen (die sienicht so bezeichnete)
immer und zu jeder Zeit
eine
offene
Tür,
flache
Hierarchien,
hochmotivierte
Teamleiter,
erfrischend flexible
Mitarbeiter. Zudem war Irene Großburg eine brillante Rednerin und scheute nicht davor zurück, Emotion einzubringen, etwa wenn es in
Teambuilding -Seminaren
darum ging, Mitarbeitern ihr
Commitment
abzuverlangen, wie sie anglophil zu formulieren verstand. Bevor sie das tat, legte sie gekonnt dar (sie nahm regelmäßig Privatunterricht in Rhetorik sowie Mitarbeiterführung), dass die Versicherung nicht bloß irgendein Unternehmen sei, sondern ähnlich einer Familie, einer großen Familie, in der es gelte, gemeinsam Verantwortung zu übernehmen, füreinander da zu sein, solidarisch, einsatzfreudig, selbstlos. Und dann befragte sie jeden Teilnehmer des Workshops mit bewegter Stimme, tiefem Augenkontakt und ausgestrecktem Arm (die Handfläche nach oben, denn das signalisierte optimistische, einladend warme Offenherzigkeit), fragte also mit dramatischer Stimme und weichem Händchen: »Committest du dich?« Worauf der oder die Angesprochene, teils mit zittriger Stimme, unternehmensemotional völlig korrekt antwortete: »Ich committe mich.« Die rechte Hand dabei aufs Herz zu legen war niemand gezwungen.
    Ein einziges Mal hatte es bei einem derartigen Seminar ein Mitarbeiter – er war erst seit kurzem dabei – gewagt zu sagen: »Irene, ich kann dir versichern« (sie hatte ihm zu diesem Zeitpunkt bereits das Du-Wort angetragen), »wirklich versichern, dass ich mein Bestes geben werde, aber bitte habe Verständnis, dass ich mich an dieser«, er zögerte, »dieser Zeremonie nicht beteiligen will.« Die Gesichtsfarbe Irene Großburgs hatte bei seinen Worten einen tiefroten Ton angenommen, und ihre Hand war nicht mehr optimistisch einladend nach oben gewandt gewesen, als sie ihn anschrie, wofür er sich, verdammt noch einmal, denn halte. Der junge Mann sprach daraufhinvon emotionaler Erpressung, die ihn an die Methoden von Sekten erinnere, und dass er nicht vorhabe, bei einem derartigen Affenzirkus mitzumachen. Die Stimme Irenes geriet in Folge außergewöhnlich schrill, es war wohl cis-Tremolo, und unterfüttert war ihr Geschmetter mit Attributen, die

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