Der goldene Esel
rauft mich bei den Haaren, zerreißt mir die Kleidung, mißhandelt, zerfleischt mich nicht minder denn den schönen Adonis oder den Sohn der pimpleischen Muse und wirft mich zur Tür hinaus.
Derweile ich mich in einer Nebengasse von dieser unsanften Behandlung wieder zu erholen suchte und meine unselige Rede leider nur ein wenig zu spät bedachte, auch mir selbst eingestand, daß ich von Rechts wegen wohl noch mehr Prügel dafür verdient hätte, derweilen war der Tote schon zum letzten Male zu Hause beweint und gerufen worden, und langsam und mit großem Pompe, wie es bei Vornehmen nach Landes Brauch und Sitte zu geschehen pflegt, kam der Leichenzug über den Markt daher.
Zugleich lief ein alter Mann, der unter lautem Jammer sein ehrwürdiges Haar zerriß, aus Leibeskräften seitwärts hinzu, faßte die Bahre mit beiden Händen an und rief mit zwar starker, doch von Schluchzen unterbrochener Stimme:
›Hilfe, Ihr Larissäer! Ich beschwöre Euch bei Eurem Bürgereide, bei Eurer Liebe fürs Vaterland! Hilfe! Nehmt Euch dieses ermordeten Mitbürgers an und rächet nach der Strenge die allerschändlichste Tat an diesem abscheulichen Weibe! Denn sie, sie und kein anderer Mensch in der Welt, hat diesen Unglücklichen, der mein Schwestersohn ist, aus Liebe zu einem Buhlen und aus Lüsternheit nach seiner reichen Verlassenschaft mit Gift vergeben.‹
So der Greis, wimmernd und weinend.
Das Volk nahm Anteil an seinem Leid. Die Wahrscheinlichkeit des Vorwurfs machte es leichtgläubig gegen die Tat. Es ward wütend, rief nach Feuer, suchte Steine und hetzte die Jungen an, die Dame zu vertilgen. Mit erlogenen Tränen aber schwur diese hoch und teuer bei allen Gottheiten, dergleichen Schandtat sei ihr nie in den Sinn gekommen.
›So lassen wir,‹ sprach der Greis wieder, ›die Entscheidung der Wahrheit auf die göttliche Vorsehung ankommen! Hier ist Zachlas, ein vornehmer ägyptischer Prophet . Ich habe für ein Ansehnliches von ihm erhalten, daß er mir den Geist des Verstorbenen aus der Hölle zurückrufe und diesen Körper auf einen Augenblick wieder belebe.‹
Mit den Worten führt er einen Jüngling herbei, in Leinen, gekleidet, Palmenschuhe an, und das Haupt über und über geschoren.
Er küßt' ihm lange die Hände, umfaßte selbst seine Knie und sprach zu ihm:
›Erbarme Dich, heiliger Priester, erbarme Dich! Bei den ewigen Sternen des Himmels, bei den Gottheiten der Unterwelt, bei dem Urstoffe des ganzen Alls, bei dem nächtlichen Schweigen, bei Koptos Heiligtume, bei des Nils Anwachs, bei den memphitischen Geheimnissen und bei den pharischen Sistrums – flehe ich zu Dir: Wolle diesem Leichnam nur einen kurzen Genuß der Sonne verleihen! Wolle nur ein geringes Licht den ewig verschlossenen Augen wieder eingießen! Nicht, daß wir den Gesetzen der Natur widerstrebten noch der Erde ihr Eigentum verweigerten: nein, nur um des Trostes der Rache willen erbitten wir von Dir diesen Augenblick Lebens.‹
Durch diese Anrufung günstig gemacht, legte der Prophet dreimal ein gewisses Kraut dem Toten auf den Mund und ein anderes auf die Brust. Darauf kehrt' er sich gen Aufgang und richtete ein Gebet an die Sonne, zwar nur stillschweigend, aber mit so vieler Feierlichkeit und Andacht, daß er allen Anwesenden die tiefste Ehrfurcht einflößte und eines jedweden Geist vollkommen zur Erwartung des großen Wunders vorbereitete.
Sofort mischt' ich mich unter die Menge, stellte mich dicht hinter der Bahre auf einen etwas erhabenen Stein und sah da mit neugierigen Augen dem ganzen Wesen zu.
Alsbald begann die Brust des Toten, sich zu heben; es schlägt die Pulsader. Belebt ist die Leiche!
Sie richtete sich auf und sprach:
›Warum rufst Du mich, ich bitte, zu einem augenblicklichen Leben zurück? Geleert war der lethäische Becher, schon schwamm ich auf dem stygischen Pfuhl. Laß mich, ich flehe, laß mich und störe mich in meiner Ruhe nicht!‹
Jedermann hörte ganz deutlich diese Worte.
In großem Zorne antwortete der Prophet:
›Sage unverzüglich dem Volke an, wie es mit Deinem Tode zugegangen ist, und bringe dies Geheimnis ans Licht, oder Du sollst erfahren, daß selbst die Plagegöttinnen meine Beschwörungen hören und ich nach Belieben Deine müden Glieder martern kann.‹
Da sagte der Auferweckte von der Bahre herab mit einem tiefen Seufzer zum Volke:
›Durch die Schandtat meiner vor kurzem genommenen Frau bin ich ums Leben gekommen. Sie hat mir Gift in den Trunk getan, damit ich mein Hochzeitbett noch
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