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Der goldene Esel

Titel: Der goldene Esel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucius Apuleius
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erzählen, damit mein Vetter Lucius auch das Vergnügen habe, sie zu hören!«
    »Sie, Madame,« versetzte er aufgebracht, »sind immer die Güte und Verbindlichkeit selbst. Aber gewisser Leute unverschämte Grobheit ist nicht auszustehen.«
    Indessen, Byrrhenna ließ nicht nach. Sie setzte ihm auf eine so einnehmende, unwiderstehliche Art zu und sagte ihm so viel Verbindliches, daß Telerophon, er mochte nun wollen oder nicht, sich endlich besänftigen und bequemen mußte, ihrem Verlangen ein Genüge zu leisten.
    Er legte den Teppich, worauf er lag, auf einen Haufen zusammen, stützte den Ellbogen darauf, richtete sich auf dem Bett etwas in die Höhe, erhob die Rechte mit einer Rednergebärde, indem er die beiden untersten Finger der Hand zumachte und die andern, vom Daumen gestützt, ausstreckte und hub also an:
    »Als ich noch minderjährig war, tat ich von Milet eine Reise nach den olympischen Spielen, und da ich auch gern die merkwürdigsten Plätze dieser hochberühmten Provinz in Augenschein nehmen wollte, so durchzog ich Thessalien die Kreuz und Quer, bis ich endlich, von meinem bösen Schicksal geleitet, nach Larissa kam.
    Mein Reisegeld war dünn geworden, und um Mittel zu finden, die Schwindsucht meines Beutels zu heilen, rannte ich lange überall herum, bis ich mitten auf dem Markte einen langen alten Mann wahrnahm, der auf einem Steine stand und mit lauter Stimme ausrief: ›Wer einen Toten zu bewachen Lust hat, der melde sich und fordere, was er dafür haben will!‹
    ›Was höre ich da?‹ sage ich zu einem Vorbeigehenden, ›pflegen denn hier die Toten davonzulaufen?‹
    ›Spottet nicht!‹ antwortete dieser, ›Ihr seid noch zu jung und unerfahren, Ihr würdet sonst wohl wissen, daß mitten in Thessalien, wo Ihr Euch jetzt befindet, es gar nichts Seltenes ist, daß alte Hexen den Toten das Gesicht abfressen, weil sie davon allerhand als Ingredienzien zu ihren Schwarzkünsteleien brauchen.‹
    ›Und könnt Ihr mir nicht sagen,‹ erwidere ich, ›worin eigentlich diese Leichenwache besteht?‹
    ›Vor allen Dingen,‹ versetzt er, ›kommt es darauf an, daß man die ganze geschlagene Nacht hindurch wirklich wache. Nicht blinken darf man, geschweige denn ein Auge zutun. Die Blicke müssen beständig auf den Leichnam geheftet sein und nie davon abgewendet werden. Verdreht man nur das Schwarze im Auge, gleich hat sich ein Alräunchen herbeigeschlichen! Denn sie wissen so gut die Gestalt von allerhand Tieren anzunehmen, daß sie darunter den Augen der Sonne und der Gerechtigkeit selbst entgehen könnten. Bald sind sie Vögel, bald Hunde, dann einmal wieder Mäuse, ja wohl gar Fliegen. Auch schläfern sie die Wächter durch gewisse Beschwörungsworte ein. Kurz, es läßt sich nicht alles sagen, was sie für Mittel und Wege anwenden, zu ihrem Endzweck zu gelangen! Bei alledem wird für dieses saure und gefährliche Geschäft niemals mehr als vier bis sechs Dukaten gegeben. Ach! und was ich bald vergessen hätte: Kann der Wächter andern Morgens die Leiche nicht unversehrt wieder abliefern, so ist er gehalten, alles dasjenige, was derselben abgebissen oder -gerissen worden ist, aus seinem eigenen Gesicht sich schneiden zu lassen, um den Schaden damit wieder gutzumachen.‹
    Als ich dies gehört, ermanne ich mich alsbald und gehe an den Ausrufer heran.
    ›Hört nur auf zu schreien, guter Freund,‹ sprech ich, ›hier ist schon ein Wächter! Wieviel wollt Ihr mir geben?‹
    ›Tausend Nummen,‹ sagt er, ›sollen für Euch zur Belohnung deponiert werden. Nur müßt Ihr auch die Leiche auf das Allersorgfältigste vor den bösen Harpyien bewachen; es ist der Sohn eines der Vornehmsten dieser Stadt!‹
    ›Alles nur Kleinigkeit, wahrer Spaß für mich!‹ antwortete ich. ›Denn Ihr müßt wissen, ich bin wie von Stahl und Eisen und kenne gar den Schlaf nicht, wenigstens bin ich ganz Auge, ein echter Lynceus, ein Argus.«
    Kaum daß ich ausgeredet, so nimmt er mich unverzüglich mit sich nach einem Hause, dessen Eingang versperrt war. Er läßt mich durch eine kleine Hintertür hinein und führt mich in ein düsteres Zimmer mit verhangenen Fenstern, wo eine Dame in Trauer saß und weinte.
    Er trat zu ihr und sagte:
    ›Hier bringe ich Ihnen jemand, Madame, der sich anheischig gemacht hat, Ihren Gemahl wohl zu bewachen.‹
    Die Dame strich die Haare zurück, die von beiden Seiten über ein Gesicht hingen, das selbst in der Betrübnis entzückend schön war, sah mich an und sprach:
    ›O, lieber Freund, ich

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