Der goldene Esel
so abscheulichen Banditen mein Leben sollte verwirkt haben? Kann doch niemand erhärten, daß Privatfeindschaft zwischen uns obgewaltet, noch daß mir überall dieses Gesindel nur bekannt gewesen! Kann doch niemand auch nur einen Strohhalm hervorzeigen, aus Begier zu welchem ich eine solche Mordtat begangen haben möchte!«
Nach dieser Rede flossen meine Tränen aufs neue, und mit ausgestreckten Händen bat ich gar tragisch bald diese, bald jene um der allgemeinen Menschenliebe willen, um ihrer Kinder willen, sich meiner zu erbarmen.
Bereits sollte nach meinem Bedünken jedes Herz gebrochen und genugsam zu Tränen gerührt sein. Ich rufe also das Auge der Sonne und der Gerechtigkeit zu Zeugen an und befehle mit möglichstem Pathos meine Sache der göttlichen Vorsehung.
Allein indem ich dabei meine Augen aufschlage, seh ich das ganze Volk im herzlichsten Gelächter begriffen und mitten drunter meinen teuren Gastfreund Milo sich ganz vor Lachen ausschütten.
»Da sehe man,« sprach ich betroffen und stillschweigend bei mir selbst, »da sehe man heutige Freundschaft und Dankbarkeit! Du gutwilliger Tropf machst Dich, Deinem Wirte das Leben zu retten, zum Mörder und läßt Dich auf den Tod anklagen, und er, nicht zufrieden, Dir weder Trost noch Hilfe zu verschaffen, lacht sich noch scheckig über Deinen Untergang!«
Indem kommt ein Weib in Trauer mit einem kleinen Kinde auf dem Arm heulend und schreiend übers Theater gerannt und hinter ihr her noch eine alte Runkunkel im jämmerlichsten Aufzuge von der Welt und mit einem ebenso kläglichen Geschrei. Beide Ölzweige in Händen.
Sie stellen sich um das Bett, worauf die Leichen der Erschlagenen zugedeckt lagen, und erheben ein erbärmlich Geschrei und Wehklagen.
»Bei dem Mitleiden, das Bürger von Bürgern, bei dem Rechte, das Mensch von Menschen fordern darf,« riefen sie, »habt Barmherzigkeit mit diesen so schändlich ermordeten Jünglingen und schenkt uns armen betrübten Witwen den Trost der Rache! Zum wenigsten steht dieser unglücklichen Waise bei, die so beim Eintritt ins Leben aller Hilfe beraubt worden, und vergießt wieder das Blut dieses Mörders zur Aufrechterhaltung Eurer heiligen Gesetze und zur Steuer aller bösen Zucht!«
Hierauf erhob sich der Älteste unter den Magistratspersonen und sprach folgendergestalt zum Volke:
»Allerdings liegt uns ob, dieses Verbrechen, welches der Missetäter selbst nicht zu leugnen vermag, auf das allerschärfste zu ahnden. Inzwischen können wir nicht dazu schreiten, bevor wir nicht hinter die Mitgenossen dieser Schandtat gekommen sind. Wahrscheinlich ist es nicht, daß ein einzelner Mensch allein drei so handfeste Jünglinge entleibt habe. Also die Wahrheit herauszubringen, müssen wir zur Tortur erkennen. Denn da der Bursche, welchen der Missetäter bei sich gehabt, heimlich davongelaufen, so tut es not, ihn selbst auf der Folter seine Gehilfen bekennen zu lassen, damit wir die ganze Räuberbande mit einmal vertilgen und fernerhin davor nicht in Furcht stehen dürfen!«
Unverzüglich werden mir, nach griechischem Brauch, Feuer, Rad und allerhand Geißeln vorgelegt.
Ich wollte im Leide vergehen, daß ich nicht einmal mit ganzer Haut sterben sollte.
Allein das Weib, das mit seinem Geheul alles weichherzig gemacht hatte, sprach:
»Bevor Ihr, beste Bürger, diesen Straßenräuber, diesen Mörder meiner unglücklichen Kinder an das Kreuz schlagt, so gestattet mir, die Leichen der Erschlagenen aufzudecken, damit Ihr, durch Betrachtung ihrer Gestalt und ihres Alters je mehr und mehr zu einem rechtmäßigen Unwillen gereizt, Eure Strenge desto genauer nach der Größe der Missetat abmessen möget!«
Allgemeiner Beifall wird dem Vorschlage zugeklatscht, und der alte Ratsherr befiehlt mir auf der Stelle, selber mit eigener Hand die hingestellten Leichen aufzudecken.
Ich weigerte mich mit aller Macht. Ich wollte schlechterdings nicht durch Vorzeigung der Erschlagenen die Anwesenden noch mehr gegen mich erbittern und aufbringen.
Allein auf des Magistrats Geheiß packen Stadtknechte mich an, strecken mir den Arm, mit dem ich nach der Bahre hinstand und den ich fest an den Leib angeklemmt hatte, gewaltsamlich aus und führen denselben trotz allem Widerstreben, auf die Leichen.
Überwältigt, schicke ich mich endlich in die Not, fasse wider meinen Dank das Tuch und reiße es von den toten Körpern herunter.
Allmächtige Götter, welch ein Anblick! Welch ein Wunder! Welcher schleunige Wechsel meines Schicksals! Denn,
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