Der goldene Esel
erkundigten sich nach allem, begaben sich dann eiligst auf den Felsen und an den Ort, wo ihre Schwester allein war verlassen worden. Da sie dort nirgends eine Spur von ihr antrafen, so weinten sie überlaut und schlugen sich bei dem Klagen an die Brust. Von ihrem Jammergeschrei hallten traurig die Felsen wieder. Endlich riefen sie ihre unglückliche Schwester bei Namen. Der durchdringende Laut ihrer ängstlichen Stimmen klang bis tief hinunter in das Tal.
Psyche vernahm es. Mit Ungestüm stürzt sie wie wahnsinnig aus dem Schlosse heraus und schreit:
›Schwestern, was betrübt Ihr Euch so ohne Ursache? Ich, die Ihr beweint, bin hier. Stellt Eure Klagen ein. Trocknet Eure Tränen und kommt herab in meine Umarmung!‹
Darauf ruft sie den Zephyr und sagt ihm, was ihr Gemahl befohlen. Ohne Verzug gehorcht dieser und bringt alsbald auf seinem milden Odem ihre Schwestern wohlbehalten und gemächlich hernieder.
Voller Ungeduld fliegen sie sich gegenseitig in die Arme und drücken sich einander lange sprachlos inbrünstig ans Herz. Freudentränen fließen auf ihren Wangen. Endlich spricht Psyche:
›Kommt nun auch mit mir in meine Wohnung, Ihr Lieben! Vergeßt jetzt das vergangene Leid und freuet Euch einmal wieder mit Eurer Psyche!‹
Darauf geht sie mit ihren Schwestern in den Palast .
Diese wissen nicht, was sie daran am meisten bewundern sollen: Lage, Gebäude oder Reichtum? Sie erstaunen besonders, als sie das Gewimmel der dienstbaren Stimmen um sich her vernehmen.
Nach einem erfrischenden Bade lagern sie sich mit Psychen an eine Tafel, wo nichts zu vermissen war, was nur immer dem Geschmack eines Gottes auf das Angenehmste schmeicheln mag. Da lassen sie sich beisammen wohl sein und sind guter Dinge.
Endlich verliert sich nach und nach der erste Eindruck des Erstaunens über alle die blendende Pracht und alle die himmlische Herrlichkeit bei Psychens Schwestern. Und gleich tritt in ihre Seelen hämischer Neid an dessen Stelle.
Nun fangen sie an, mit der größten Verschlagenheit und Neugierde nach dem Herrn aller dieser Wunder zu fragen: wer und was denn ihr Gemahl sei?
Jedoch, so schlau und verfänglich sie auch immer ihre Fragen anlegen, Psyche bleibt auf alle Weise dem Befehl ihres Gemahls treu. Sie läßt sich das Geheimnis ihres Herzens nicht ablocken, sondern erdichtet aus dem Stegreif:
Ihr Gemahl sei ein wohlgestalteter Jüngling, dessen blühende Wangen nur erst zarter Flaum bekleidete; er sei fast beständig in Wäldern und auf Bergen mit der Jagd beschäftigt.
Doch fürchtet sie selbst, sich etwa in fernerem Gespräche noch zu verraten. Darum beschenkt sie nach dieser Antwort alle beide reichlichst mit Goldgeschmeide und Juwelen, ruft dann den Zephyr und übergibt sie ihm wieder, um sie auf den Fels zurückzutragen.
Dies geschieht allsofort.
Auf der Rückkehr zu ihren Eltern zeigen die sauberen Schwestern in ihren Reden nur zu sehr, wie des Neides schwarzes Gift in ihrem Innern wüte.
›O Glück,‹ ruft die Eine aus, ›wie blind, wie grausam und wie ungerecht bist Du doch! Uns, die von ein und eben demselben Vater und Mutter abstammen, so himmelverschiedene Lose zuzuwerfen, und wir, noch dazu die Ältesten, wir, der Gewalt ausländischer Ehemänner nicht anders als Sklavinnen überliefert, fortgestoßen in die Fremde, fern vom väterlichen Hause, fern vom Orte unserer Geburt und getrennt, abgeschnitten von allen Verwandten, müssen unser Leben wie Verbannte hinkümmern! Und sie, von uns allen die Jüngste, die letzte Frucht einer erschöpften Natur, muß einen Gott zum Manne bekommen, um im unsäglichen Überflusse zu prassen, um sich ganz in Reichtum vergraben zu sehen, den sie doch so wenig zu schätzen als zu nutzen weiß! Denn hast Du wohl gesehen, Schwester, wie in ihrem Hause das köstlichste Geschmeide umherliegt, wie prächtige Kleider sie trägt, wie alles von Edelgesteinen blitzet? wie man das Gold bei ihr allenthalben mit Füßen tritt? Ist vollends ihr Gemahl so schön, wie sie's sagt, wahrlich, so ist sie die glücklichste Frau auf dem Erdboden. Und, wer weiß, macht ihr göttlicher Gemahl (wenn erst Gewohnheit seine Zuneigung zu ihr immer mehr befestigt hat), sie nicht noch gar zur Göttin? Gib acht, das geschieht. Sie führte sich auch schon so auf, betrug sich ganz vollkommen so. Als eine Göttin sieht sie sich schon im Geiste. Wie sollte sie auch noch wissen, daß sie eine Sterbliche ist wie wir, da unsichtbare Zofen sie bedienen und die Winde selbst ihr gehorchen? Dafür
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