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Der goldene Esel

Titel: Der goldene Esel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucius Apuleius
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kann.
    Von nun an zählt sie ängstlich jeden kommenden Tag, jeden verstrichenen Monat, und, ganz neu in ihrem Zustande, denkt sie mit Bewunderung dem unmerklichen Anwachse, vom Unfühlbaren bis zur drückenden Bürde, nach.
    Allein schon hatten ihre Schwestern, diese höllischen, Natterngift atmenden Furien, sich eingeschifft und steuerten in gottloser Eile nach ihr hin.
    Jetzt ermahnt, voller banger Besorgnis, Psychens nächtlicher Gemahl sie abermals.
    ›Der letzte, der entscheidende Tag, Psyche, ist nun da,‹ sagt er. ›Deine abscheulichen Schwestern sind schon angekommen und halten den Dolch gezückt, welcher Dir das Herz durchbohren soll. Ach, welch Unglück drohet uns! Aber erbarme Dich meiner, süße Psyche, erbarme Dich Deiner selbst und rette mich, Dich und dieses unschuldige Kind vom bevorstehenden Verderben! Bewahre mein Geheimnis heilig und unverbrüchlich, und wenn die ruchlosen Weiber (denn sie, die Dir den tödlichen Haß geschworen und alle Bande des Blutes mit Füßen treten, darf ich nicht mehr Deine Schwestern nennen), wenn sie gleich Sirenen sich über den Felsen erheben und mit Unglücksstimmen jeglichen Widerhall wecken, so höre sie nicht, so sieh sie nicht!‹
    Ihm antwortet Psyche weinend und schluchzend:
    ›Du hast, so viel ich weiß, bisher meine Verschwiegenheit immer bewährt gefunden und fürchtest, ich möchte jetzt geschwätzig sein? Setze mehr Vertrauen in mich und befiehl getrost dem Zephyr, daß er mir wieder gehorche. Da mir der Anblick Deiner heiligen Person versagt ist, so laß mich wenigstens meine Schwestern sehen! Laß mich sie sehen, ich bitte Dich bei diesen duftenden, Deinen Nacken umfliegenden Locken, bei Deinen runden, zarten, den meinen so ähnlichen Wangen, bei Deinem von unaussprechlichem Feuer glühenden Herzen. Sie sollen mich nicht verführen. Was sollte ich zu meinem Verderben nach Deinem Anblick streben? Wird doch bald dies Kind mich Dein Angesicht in dem seinigen erblicken lassen. Damit verstatte mir unbesorgt der Schwestern frohe Umarmung und ergötze mit Freuden die Seele Deiner Dir gänzlich geweihten, Dich innigst liebenden Psyche, der in Deinen Armen auch die dickste Finsternis Licht ist.‹
    Von diesen Worten, die mit den zärtlichsten Umarmungen begleitet waren, bezaubert, trocknete Psychens Gemahl ihre Tränen mit seinen Locken ab, gab ihrer Bitte nach und schied, noch ehe es tagte, wieder von ihr.
    Sobald das verschworene Schwesternpaar gelandet, verläßt es in der größten Geschwindigkeit den Strand, denkt nicht daran, Vater und Mutter zu besuchen, sondern eilt geraden Weges auf den bekannten Felsen hin und stürzt sich mit tollkühner Wut, ohne den Wind zu erwarten, der sie hinabtrüge, sogleich von da in die Tiefe hinunter.
    Jedoch Zephyr, des empfangenen Befehls wohl eingedenk, fängt sie, wiewohl höchst ungern, auf und läßt sie in wallenden Lüften auf den Boden hernieder.
    Nun beflügeln sie ihre Schritte zum Palaste hinein, umarmen ihre Beute, nennen sie unter tausend gleich falschen Beteuerungen ihre geliebte Schwester und verbergen unter gleißnerischen Worten und Mienen die höllischen Absichten ihres Herzens.
    ›Ei,‹ sagen sie, ›wie in der Zeit sich unsere kleine Psyche verändert hat! Sieh, will sie nicht gar schon Mutter werden?! Du glaubst nicht, liebe Psyche, welche Freude das für uns ist. Das ist ein Glück für unsere ganze Familie. O, eine Seligkeit muß das sein, so ein Götterkind miterziehen zu helfen, das, wie natürlich, der Schönheit seiner Eltern entsprechen und so ein leibhafter kleiner Liebesgott werden muß!‹
    Durch solche Schmeichelei und verstellte Zärtlichkeit stehlen sie Psychen unvermerkt das Herz.
    Sie heißt sie gleich von der Reise auf weichen Polstern ausruhen, führt sie ins Bad und bewirtet sie in dem herrlichsten Saale aufs stattlichste an ihrer Göttertafel.
    Sie winkt, und die lieblichste Zither läßt sich hören. Sie winkt wieder, da erhebt sich das sanfte Geflüster wechselnder Flöten. Sie winkt noch einmal, und unzählige Stimmen beginnen den volltönigsten Chor.
    Die seelenschmelzende Gewalt der süßen Harmonie war um desto zauberischer, unwiderstehlicher, da man niemand sah, der sie hervorbrachte. Doch blieben die beiden Gäste davon gänzlich ungerührt. All die himmlische Musik vermochte ihre Bosheit nicht zu besänftigen. Sie schreiten zur Ausübung ihrer Ränke.
    Abgeredetermaßen wenden sie das Gespräch wie von ohngefähr auf Psychens Gemahl, und, als ob sie das erste Mal von ihm

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