Der goldene Esel
dienstfertigen Stimmen in dem Schlafgemache, um der Neuvermählten alle nötigen Hilfeleistungen zu reichen.
So währte es eine Weile fort. Es ging Psychen mit der neuen Lebensart, wie es immer zu gehen pflegt, anfangs war ihr alles so fremd, so unbehaglich, bald ward sie es durch die Dauer gewohnt, und endlich fand sie Gefallen daran. Die Gespräche mit ihren Unsichtbaren ersetzten ihr alle Gesellschaft,
Unterdessen verzehrten ihre armen alten Eltern sich in Gram und steter Betrübnis. Auch war das Gerücht von dem Orakel und seiner Vollziehung inzwischen zu den ältern Schwestern gekommen. In größtem Leidwesen verlassen beide schleunigst ihre Männer und eilen um die Wette, Vater und Mutter zu trösten und bei ihnen nähere Kundschaft wegen der Schwester einzuziehen.
In eben der Nacht spricht Psychens Gemahl, den sie nie sah, nur fühlte und hörte, also zu ihr:
›Geliebte Psyche, Du mein süßes Weib, ein feindliches Schicksal drohet Dir eine große Gefahr! Aber achte nur genau auf diese meine Warnung, so ist ihr vorgebeugt. Deine Schwestern trauen dem Gerücht von Deinem Tode nicht. Sie werden bald hier sein und Deiner Spur oben auf dem Felsen nachsuchen. Kommt nun ihr Geschrei und Gewimmer Dir zu Ohren, so antworte ja nicht, sieh auch nicht einmal nach ihnen hin. Du bereitest sonst mir den größten Schmerz und Dir selbst das größte Unglück.‹
Psyche verspricht's ihrem Gemahl; sie beteuert, nur seinem Rate zu folgen.
Allein kaum ist er mit der Nacht zugleich von ihr geschieden, als sie in Seufzer, Jammer und Tränen ausbricht:
›Jetzt,‹ ruft sie, ›jetzt erst bin ich mit Recht unglücklich zu nennen! In einem goldenen Kerker eingesperrt, aller menschlichen Gesellschaft abgestorben, darf ich meine Schwestern nicht einmal trösten; meine Schwestern, die um meinetwegen sich härmen! Ach, ich darf sie nicht einmal sehen!‹
Und so geht es den ganzen Tag. Sie ißt nicht, trinkt nicht, genießt keine Erquickung, begibt sich nicht ins Bad. So fort ohne Maß weinend, legt sie sich endlich schlafen. Bald findet sich ihr Gemahl bei ihr ein, diesmal früher als gewöhnlich; aber auch seine Umarmung hemmt ihre Zähren nicht.
Leutselig wollte er ihr da ihre Empfindlichkeit verweisen: ›Wie, meine Psyche,‹ sagt er, ›ist das die Art, womit Du den Bitten der sorgsamen Liebe Deines Gatten willfährst? Da bleibt mir wenig von Deiner Folgsamkeit zu hoffen übrig! So Tag und Nacht und in meinen Armen selbst in Tränen zu zerfließen! Nein, lieber handle nach Deinem eigenen Gefallen, tue, was Dein Herz Dir eingibt; aber sehen wirst Du, wie schädlich das ist! Dann wirst Du's bereuen, daß Du mir nicht gefolgt bist; aber dann ist's zu spät!‹
›Flehentlich bitte ich Dich, Geliebter,‹ erwidert ihm aber Psyche, ›gewähre mir den Wunsch meiner Seele! Laß mich meine Schwestern sprechen, sie trösten, oder ich muß sterben! Ich mache diesem meinem verhaßten Leben ein Ende!‹
Wie hätte er dieser fürchterlichen Drohung zu widerstehen vermocht? Augenblicklich ergibt er sich den Bitten seines jungen Weibes. Ja, in seiner zärtlichen Schwachheit stellt er es ihr frei, ihre Schwestern mit so vielem Golde und so vielen Juwelen zu beschenken, als sie nur immer wolle.
Doch warnt er sie noch unaufhörlich, bald in Liebe, bald mit Ernst, ja sich nicht von dem unglücklichen Rate derselben verleiten zu lassen, seine Gestalt auszuforschen. Dieser sträfliche Vorwitz würde sie ohne Rettung von dem Gipfel ihres Glückes in das äußerste Elend hinabstürzen und auf ewig seinen Umarmungen entreißen.
Mit aufwallender Freude dankt nun Psyche ihrem Gemahle. ›Eher,‹ sagt sie, ›eher mag ich hundertmal sterben, als Deinen geliebten Armen entrissen werden! Denn Dich, wer Du auch seiest, Dich liebe ich mit ganzer Seele, wie mein Leben liebe ich Dich, Dich vertauscht' ich mit Amor selbst nicht! Doch dies Einzige gewähre meinen Bitten noch: Gebiete Deinem Zephyr, auf eben die Art wie mich auch meine Schwestern hierher zu bringen.‹
Jetzt schlingt sie ihre lilienweißen Arme um seinen Hals und küßt und liebkost ihn so viel und überhäuft ihn mit so vielen zärtlichen Namen der Liebe: heißt ihn ihre Wonne, ihr Leben, ihre Seele, bis sie endlich obsiegt. Von der Gewalt der Liebe bezwungen, erlag ihr Gemahl wider Willen und Vorsatz und versprach ihr, daß alles geschehen solle, und verschwand, noch ehe es dämmerte, wieder aus ihren Armen.
Allbereits waren Psychens Schwestern bei ihren Eltern angelangt. Sie
Weitere Kostenlose Bücher