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Der goldene Esel

Titel: Der goldene Esel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucius Apuleius
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hör' ich ihn und unterhalte mich mit ihm. Warum gäbe er sich sonst mir nicht zu erkennen? warum wäre er so lichtscheu, wenn Ihr nicht wahr redetet? Ich stimme Euch bei. Ja, er ist ein Ungeheuer! Seine ewigen Warnungen: ich sollte ja nicht Verlangen tragen, ihn zu sehen, sein ernstes Drohen mit dem äußersten Elend, falls ich meiner Neugierde nachgäbe, bestätigen es nur zu sehr. Wohlan denn, wißt Ihr Mittel, mich der bevorstehenden Gefahr zu entreißen, o, so eröffnet sie, ich bitte, eröffnet sie, ohne Zurückhaltung, Eurer Schwester!‹
    So verdarb ein Augenblick Übereilung auf einmal alles, was lange, behutsame Vorsicht gut gemacht hatte.
    Die gottlosen Weiber hatten nun gewonnen Spiel. Sie stürmen aus ihrem Hinterhalte hervor, dringen durch die geöffneten Pforten des Herzens ihrer Schwester auf die bestürzten Gedanken der armen Einfalt mit gezückten Dolchen ein und machen sich davon Meisterinnen.
    ›Wir sind Blutsfreunde,‹ spricht eine, ›Dich zu retten, setzen wir gern jede Gefahr aus den Augen. Nach allem Hin- und Herdenken aber ist das allereinzigste, wozu wir Dir raten können, dieses: Verbirg Dir insgeheim auf der Bettseite, wo Du zu liegen pflegst, ein äußerst scharfes Messer, das auch bei der leisesten Berührung schon einschneidet, und unter irgendeiner Decke halte eine kleine helle Lampe in Bereitschaft. Laß Dir dann nichts merken. Kommt nun der Drache, seiner Gewohnheit nach, in das Schlafgemach hineingekrochen und liegt nun, neben Dir gestreckt, tief im ersten Schlafe vergraben, so stiehl Dich aus dem Bette, und mit schwebendem Gang, auf nackten Zehen, schleiche zu Deiner Lampe, zieh' sie unter ihrer Decke hervor und brauche ihr Licht zu Deiner herrlichen Tat. Dann halte das zweischneidige Eisen in Deiner Rechten hoch, und kühn trenne des schädlichen Ungeheuers Kopf und Nacken durch Einen mächtigen Streich. Auch soll unser Beistand Dir nicht fehlen. Sobald Du durch Deines Mannes Tod Dein Leben gesichert hast, sind wir bei Dir, geschwind wollen wir dann zusammen hier alles ausräumen, und Du wählest Dir nach Gefallen, statt dieses Drachens, einen Gatten, der Mensch ist wie Du.‹
    Mit solchen anfeuernden Worten entflammen sie die Seele der unruhigen Schwester und verlassen sie dann unverzüglich. Sie fürchten, bei so großem angerichteten Unglück in der Nähe zu bleiben, damit sie es nicht auch mittreffe. Als sie auf den Flügeln des Windes den Felsen wieder erreicht, begeben sie sich flugs an Bord und segeln davon.
    Psyche, sich selbst oder vielmehr allen Furien der Hölle überlassen, schwankt auf einem Meere von Sorgen hin und her.
    Alle ihre Entschlossenheit ist dahin, da jetzt der Augenblick zur Ausführung des vorher so festgefaßten Vorsatzes näherkommt.
    Sie ist ein Raub sich widerstreitender Affekte. Ungeduld und Scheu, Mut und Furcht, Zweifel und Wut wechseln unaufhörlich in ihr ab.
    Was sie am meisten ängstigt, ist: ein und derselbe Gegenstand ist ihr als Ungeheuer verhaßt und zu gleicher Zeit unaussprechlich teuer als Gemahl.
    Nach langem Kampfe macht sie endlich doch, als der Abend schon die Nacht herbeiführt, noch über Hals und Kopf die Zurüstung zur abscheulichen Tat.
    Jetzt war es Nacht.
    Der Gemahl kam. Nach den ersten Umarmungen der Liebe sinkt er in tiefen Schlaf.
    Nun überwältigt Psychen ihr böses Schicksal. Sie, sonst an Leib und Seele gleich zärtlich, ist jetzt stark genug, kühn genug, Lampe und Messer herbeizuholen. Sie ist kein Mädchen mehr.
    Allein, was entdeckt sie, als nun des Lichtes Schimmer das Geheimnis beleuchtet? – Von allen Ungeheuern das holdeste, das liebenswürdigste!
    Es ist – Kupido. Der süße Gott der Liebe ist es! Da liegt er in all seiner Schönheit. Auch die Lampe freut sich seines Anschauens und flammt heller auf, und dem Messer tut es weh, daß es so scharf ist.
    Psyche stutzt. Es faßt sie Reue und Entsetzen; außer sich, leichenblaß und bebend sinkt sie in die Knie. Verbergen möchte sie das Messer; aber in ihrer Brust. Sie hätte es auch getan, wäre nicht der Stahl aus Scheu vor einem so großen Verbrechen ihrer frevlen Hand entsunken und weit von ihr hinweggeflogen.
    Allgemach erholt sie sich wieder von der Schwachheit; denn ihr Auge erquickte sich an der göttlichen Schönheit des Schlummernden, und jeder Blick auf ihn war für sie neues Leben. Auch welch ein Anblick! In der Haare Gold das niedlichste Köpfchen eingehüllt. Ambrosiaduftende Locken in zierlichem Gewirre über Rosenwangen und einen Nacken, weiß

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