Der goldene Esel
ungewissen wankenden Tritt, Dein bleiches Ansehen und Dein tiefes Stöhnen richtig auslege (weissagen heißt bei klugen Leuten nichts mehr), so ist unglückliche Liebe Dein ganzes Leiden. Folge mir also, suche nicht wieder Dein Leben auf irgendeine gewaltsame Art zu enden, sondern gib Dich zufrieden und weine nicht so untröstlich. Richte nur Dein Gebet fleißig an den Kupido, den größten der Götter. Er ist jung, zärtlich, liebreich, er wird sich Deiner gewiß erbarmen.‹
Psyche antwortet dem Hirtengotte nicht, sondern betet stillschweigend diese günstige Gottheit an und geht weiter.
Sie hatte sich noch nicht lange in der Irre trauernd herumgeschleppt, als sie auf einem unbekannten, einen Abhang herunterleitenden Fußpfade zu einer Stadt kommt, worin der Gemahl einer ihrer Schwestern seinen königlichen Sitz hatte.
Als Psyche das erfährt, läßt sie sich bei ihrer Schwester melden. Sie wird sogleich angenommen und zu ihr geführt.
Umarmungen von beiden Seiten! dann eilfertig Gefrage der Schwester, welcher glückliche Zufall denn Psychen zu ihr bringe?
›Du weißt wohl,‹ antwortete ihr diese, ›daß Ihr mir rietet, dem Ungeheuer, das unter dem erlogenen Namen meines Gemahls bei mir schlief, die Kehle abzuschneiden, bevor es mich arme Unglückselige verschlänge. Als ich mich nun dazu anschickte und mit der Lampe in der Hand – gleichfalls nach Eurem Rate – dem Bette mich näherte, wurde ich von dem allerunerwartetsten, himmlischsten Anblick überrascht. Lag doch der Sohn der Göttin Venus, Kupido selbst, in sanfter Ruhe eingeschlummert da! Freude und Fülle der Wollust durchströmten mich, als ich ihn erblickte. Nur zu bald aber verwirrten sich meine Sinne über dem staunenden Betrachten seiner göttlichen Schönheit, und lüstern nach mangelndem Genusse, vergaß ich mich. Da mußte, zu meinem Unglück, die verwünschte Lampe von siedendem Öl überwallen und dem Gott die Schulter verletzen. Der Schmerz schreckte ihn den Augenblick aus dem Schlafe auf, und da er mich mit Feuer und Stahl bewaffnet vor sich sah, rief er: Abscheulich! Du? Mich? Auf der Stelle räume das Ehebette. Nun habe ich mit Dir weiter nichts zu schaffen! Nein! Deine Schwester – und hier nannte er Deinen Namen – soll Deine Stelle vertreten, sie nehme ich förmlich zur Gemahlin. Und sogleich ließ er mich vom Zephyr weit aus dem Bezirk seines Palastes wegtragen.‹
Kaum hatte Psyche ihre Erzählung vollendet, als jene schon, von dem Sporn wütender Begierden und boshaften Neides getrieben, mit einer schnellgeschmiedeten Lüge vom Tode ihrer Eltern, ihren Gemahl hintergeht, sich zu Schiffe begibt und in aller Eile nach dem Felsen hinsegelt.
Oben sein, ausrufen: ›Empfange, Kupido, Deine würdige Gattin, und Du, Zephyr, nimm Deine Gebieterin auf!‹ und, ganz blind vor ungeduldiger Hoffnung, hinabspringen, obgleich ein ganz anderer Wind bläst, ist eins.
Allein auch nicht einmal tot gelangt sie an den erwünschten Ort.
An den hervorragenden Klippen zerschmetterte und zerstückte sich im Fallen ihr Leib, und, nach Verdienst, werden ihre umher zerstreuten Glieder ein Raub der Vögel und der wilden Tiere.
Die Strafe der anderen Schwester nahm auch keinen längern Anstand. Denn, indem Psyche wiederum irrend umherschweifte, gelangte sie bald ebenfalls zu der Stadt, worin sich diese aufhielt.
Gleiche List, gleiche Wirkung. Mit eben derselben lasterhaften Begierde als die erste eilte auch diese nach dem Felsen hin und fand auch da den nämlichen Tod.
Mittlerweile Psyche Kupido bei allen Völkern aufsuchte, lag er in dem Zimmer seiner Mutter und seufzte und litt an der verletzten Schulter große Schmerzen.
Eine Seemöve bekommt das zu wissen. Geschwind taucht sie sich in den Ozean und fährt bis in die unterste Tiefe hinab, wo Venus sich eben mit Baden und Schwimmen belustigte.
Da erzählt sie ihr, ihr Sohn habe sich verbrannt, er liege am Wundfieber sehr krank, und es sähe mißlich um seine Wiederherstellung aus. Überhaupt, setzt sie hinzu, stände ihr Sohn sowohl als auch sie selbst auf der ganzen Welt eben nicht im besten Rufe. Von ihm sage man, er verbuhle seine Zeit im Gebirge bei einer Beischläferin, und sie lebe in Herrlichkeit und in Freuden beim Ozean im Bade. Unterdessen gehe es auf Erden bunt über. Lust, Witz und Grazie seien davon entflohen. Alles sei wild, rauh, ungesittet. Man kenne gar Ehe, Freundschaft und kindliche Liebe nicht mehr. Die abscheulichsten Ausschweifungen und die gräßlichsten Laster herrschen
Weitere Kostenlose Bücher