Der goldene Esel
etwas zu besänftigen.
›Was, o Göttin,‹ sagen sie ihr, ›was hat denn Dein Sohn so Großes verbrochen, um sein Vergnügen so gewalttätig zu stören, um die, die er liebt, so mit Haß zu verfolgen? Rechnest Du ihm für Sünde, daß er einem hübschen Mädchen gut ist? Er ist ja einmal von männlichem Geschlechte und endlich schon Jüngling! Oder vergißt Du, wie alt er ist, und denkst, weil er noch immer so jung und zart aussieht, er sei auch immer noch ein Kind? Du bist Mutter, bist eine kluge Frau und willst Deines Sohnes kleinen Ausschweifungen immer so neugierig nachspähen, seine Galanterien tadeln, seine Liebeshändel stören; kurz, was Deine eigene Kunst, Deine einzige Glückseligkeit ist, bei dem schönen Sohne ahnden? Welcher Gott, welcher Mensch wird es hinfort ertragen können, daß Du überall Liebe verbreitest, wenn Du dieselbe Liebe an Deinem Sohne so bitter bestrafst, wenn Du ihm den Umgang mit gefälligen Schönen verwehrst, wenn Du Deinen Zorn gegen ein Mädchen ausläßt, das sich der ihr verliehenen Gabe, zu gefallen, glücklich bedient hat?‹
Also sprachen Ceres und Juno zum Vorteil Kupidos, selbst in seiner Abwesenheit; denn sie fürchteten sich vor seinen Pfeilen.
Venus aber nimmt ihre Rede als Verspottung ihrer Schmach auf, verläßt die Göttinnen desto unwilliger und wendet sich mit beschleunigten Schritten nach dem Meere hin.
* * *
Sechstes Buch
Unterdessen trieb Psychen Tag und Nacht rastlose Sehnsucht nach ihrem Gemahl aller Orten umher. Sie dachte denselben noch irgendwo anzutreffen und seinen Zorn, wo nicht durch zärtliche Liebkosungen, doch wenigstens durch demütiges Bitten zu besänftigen.
Auf dem Gipfel eines hohen Berges wird sie jetzt einen Tempel ansichtig. ›Ach, wenn da mein Geliebter sich aufhielte!‹ ruft sie und richtet sogleich ihre Schritte dorthin. Hoffnung und Wunsch erneuen ihre ermatteten Kräfte, behend hat sie die höchste Spitze erreicht.
Als sie in den Tempel tritt, sieht sie darin hin und wieder Weizenähren haufenweise zerstreut oder auch in Kränze gebunden am Boden liegen, Gerstenähren mit darunter gemischt. Auch findet sie Sicheln und alles andere Erntegerät ohne Ordnung untereinander hingeworfen, sowie nach vollendeter Arbeit die müden Landleute es nachlässig hinfallen lassen.
Psyche macht sich gleich darüber her. Sorgfältig sondert sie jegliches voneinander und bemüht sich, alles in schickliche Ordnung zu bringen; denn sie glaubte, keines Gottes Dienst vernachlässigen zu dürfen, sondern aller Mitleiden und Gunst suchen zu müssen.
Mitten in dieser emsigen Beschäftigung trifft die allernährende Ceres sie an.
›Ach arme Psyche!‹ ruft diese ihr schon von ferne zu, ›entrüstet sucht Venus Dich in der ganzen Welt auf; droht Tod Dir und Verderben, spart keine Macht, ihren Mut nur an Dir zu kühlen! Und Du, auf nichts weniger bedacht als auf Deine Rettung, stehst geruhig hier und trägst Sorge für das Geräte meines Heiligtums?‹
Da warf Psyche sich vor ihr auf die Knie nieder, netzte ihre Füße mit einem Strom von Tränen und flehte die Göttin mit den rührendsten Worten um ihren Schutz an. Ihre goldenen Locken schleppten am Boden.
›Ich bitte Dich, o Göttin,‹ spricht sie, ›bei dieser Fülle der Früchte ausspendenden Rechten, bei den fröhlichen Erntefesten, bei Deinen heiligen, geheimnisvollen Körben, bei Deinem drachenbespannten Wagen, bei Siziliens Fruchtbarkeit! Ich beschwöre Dich, bei dem Raube Deiner Tochter, bei der Erde, die sie verbarg, bei Deinem fackelerleuchteten Hinabsteigen zu ihrer Hochzeit in der Unterwelt, bei Deiner Wiederkehr und bei allem übrigen, was das attische Eleusis in unverbrüchliches Stillschweigen einhüllt! Erbarme Dich, Du milde Ceres, hilf der unglückseligen Psyche, die zu Dir ihre Zuflucht nimmt! Verstatte mir, nur wenige Tage unter diesen zusammengetragenen Ähren verborgen zu liegen, bis der mächtigen Venus Zorn durch Zeit sich besänftigt oder bis wenigstens meine so unablässig angestrengten und nun völlig erschöpften Kräfte durch einige Ruhe wiederhergestellt sind!‹
›Deine Tränen,‹ antwortet ihr Ceres, ›und Deine Bitten rühren mich, und von ganzem Herzen wünschte ich, Dir helfen zu können; allein die genauesten Bande der Verwandtschaft und Freundschaft verknüpfen mich mit der Venus, und sie ist auch sonst eine so gute Frau. Es ist mir unmöglich, etwas zu tun, wodurch ich sie mir (wie ich voraussehe) zur Feindin machen würde. Geh also nur gleich aus
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