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Der goldene Esel

Titel: Der goldene Esel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucius Apuleius
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Anliegen.
    ›Bruder,‹ sagte sie, ›Du weißt es, ohne Deinen Beistand tat Deine Schwester Venus überall nichts. Auch jetzt weißt Du, wie lange ich schon umher nach der versteckten Dirne suche. Umsonst! sie entgeht allen meinen Nachforschungen. Ich wende mich wieder zu Dir, lieber Merkur! mach' es doch auf der Erde bekannt. daß ich jedem, der sie mir zuweist, hohe Belohnung verspreche! Aber tu mir diesen Gefallen recht bald, bezeichne sie dabei höchst genau, auf daß sie allen Menschen kennbar werde und niemand, der sie verbirgt, hoffen dürfe, sich mit der Entschuldigung zu schützen, er habe sie nicht gekannt!‹
    Darauf gibt sie ihm einen Zettel mit Psychens Namen und ihren übrigen Kennzeichen, verläßt ihn und begibt sich nach ihrem Palaste.
    Merkur erfüllt geflissentlich ihren Auftrag. An allen Orten, bei allen Völkern des Erdbodens ruft er aus:
    ›Kund sei es jedermänniglich, wie eine gewisse Königstochter, mit Namen Psyche, sich an Venus schwer vergangen hat und heimlich nun entwichen ist, sich ihrer verdienten Strafe zu entziehen. Sollte jemand sein, der diesen Flüchtling aufgefangen hat oder nur nachweisen kann, wo sie sich verborgen hält, der finde sich bei den Murcischen Pyramiden ein und gebe es bei mir, dem Merkur, an, der ich dieses als Herold jetzt bekannt mache. Er soll für seine Mühe von Venus in Person sieben Küsse zur Vergeltung bekommen und einen noch insbesondere, der mit allen Süßigkeiten gewürzt ist, welche nur der Liebesgöttin Honigmund zu geben vermag.‹
    Auf diesen Ausruf Merkurs beeiferten sich alsbald alle Sterblichen um die Wette, eine so hohe Belohnung zu verdienen. Umsomehr beschleunigt Psyche die Ausführung ihres vorgefaßten Entschlusses.
    Und schon nahet sie zur Türe der Venus, als ihr die
Gewohnheit
, eine von der Göttin Hofgesinde, begegnet und so laut, als sie nur immer kann, zu schreien anfängt:
    ›Ha, Du Nichtswürdigste! So erkennst Du endlich, mit wem Du es aufnimmst, und demütigst Dich jetzt, nachdem Du Dich in der ganzen weiten Welt hast aufsuchen lassen, und wir uns um Deinetwillen Tag und Nacht haben plagen müssen. Doch gut, daß Du gerade mir in die Hände gerätst, in den Klauen des Todes wärest Du nicht sicherer aufgehoben, und besser als ich könnte Dich selbst keine Furie bewillkommnen.‹
    Und nun keck, mit beiden Händen zugleich, Psychen in die Haare, und sie so fortgeschleift, ohnerachtet sich diese nicht im mindesten ihr zu folgen sträubt.
    Sobald als Venus Psychen also zu sich hereinschleppen sieht, schlägt sie das laute Gelächter auf, das der wütige Zorn zu erheben pflegt, schüttelt den Kopf und sagt zu ihr mit den höhnischsten Gebärden:
    ›Ei! So würdigst Du mich doch noch endlich, mich als Deine Schwiegermutter zu begrüßen! Oder gilt der Besuch etwa dem Herrn Gemahl, dem das glühende Öl, womit Du ihn gesalbt hast, so schlecht bekommen ist? Gleichviel, nur näher! Es soll Dir darum nicht weniger alle verdiente Ehre widerfahren!‹
    ›Angst! Sehnsucht! wo seid Ihr?‹ ruft sie jetzt, sich zu ihrem Gefolge wendend. Sie erscheinen sogleich.
    ›Ich überlasse Euch diesen Gast,‹ spricht sie zu ihnen, ›und empfehle ihn Euch bestens.‹
    Beide verstehen nur zu gut ihre Gebieterin. Sie führen gleich Psychen mit sich hinweg und sparen an der armen Unglücklichen weder Geißeln noch andere Qualen. Dann bringen sie sie wieder zur Göttin zurück.
    Venus empfängt sie mit neuem Spottgelächter: ›Seht nur,‹ ruft sie aus, ›wie sie ihre Schwangerschaft so vorteilhaft zu zeigen weiß, um unser Mitleiden damit zu erschleichen. Die Verschmitzte hat die schwache Seite meines Herzens ausgespäht! Sie spiegelt mir das süße Glück vor, nun bald Großmutter zu heißen! Wie? Ich? Großmutter? in der Blüte meiner Jahre? Und durch wen? durch ein so schnödes Geschöpf? Irre Dich nicht, Du Elende! Deine Brut kann nie Kleinkind der Venus heißen. Wer bist Du, daß Du Dich mit meinem Sohne vermählen könntest? Die Ehe wäre zu ungleich, auch ist sie überdies nicht gültig! nur auf dem Lande, ohne Zeugen, ohne des Vaters Einwilligung geschlossen! Sie ist null, sie ist nichtig! Nur einen Bastard wirst Du zur Welt setzen, wenn ich es anders noch so weit kommen lasse!‹
    Mit den Worten fliegt sie Psychen ins Angesicht, zerrauft ihr das Haar, reißt ihre Kleidung in Stücken und mißhandelt sie aufs erbärmlichste.
    Dann nimmt sie Weizen, Gerste, Hirse, Mohn, Erbsen, Linsen und Bohnen, mischt es alles untereinander und schüttet

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