Der goldene Esel
Verlangen in das Herz der Dame einschlich und sanft ihre Wangen rötete, bekämpfte sie es zwar und unterdrückte es stillschweigend; allein als endlich der Liebe ganze Glut unbändig in ihrem Innern tobte, da verließen sie die Kräfte, und sie erlag unter der Gewalt der Leidenschaft.
Sie stellte sich unpäßlich und verbarg die Wunde ihrer Seele unter einer vorgegebenen Krankheit des Leibes. Wie leicht dies sei, weiß ein jeder, da Kranke und Liebende einander nicht allein im schmachtenden Ansehen, sondern auch im übrigen Befinden vollkommen ähnlich sind. Totenbleich war ihr Gesicht; ihre Augen matt, es zitterten ihre Knie. Sie schlief äußerst unruhig und stöhnte ohne Ende.
Man glaubte, sie habe das Fieber; nur daß sie auch weinte!
O der blödsinnigen Ärzte! Nicht zu merken, was ein heftig schlagender Puls, eine innere Hitze, ein schwacher Atem, ein öfteres Herumwerfen von einer Seite zur anderen andeuten! Doch braucht's, ihr guten Götter, der Arzneikunde so wenig und nur einigermaßen Bekanntschaft mit der Liebe, um das Rätsel einer sonder körperliche Hitze brennenden Kranken auf den ersten Blick zu erraten!
Aufs äußerste getrieben vom Übermaße ihrer Leidenschaft, entschloß sich zuletzt die Dame, das lange gehaltene Stillschweigen zu brechen. Sie ließ den Gegenstand ihrer Liebe, ihren Stiefsohn – ach! daß sie ihn mit keinem andern Namen benennen konnte, um nicht zu erröten! – zu sich rufen. Er kam sofort, dem Befehle seiner kranken Stiefmutter gehorsam, und mit einem männlichen Ernst trat er in das Schlafgemach der Gattin seines Vaters und der Mutter seines Bruders.
Sie, die Augenblicks zuvor so fest entschlossen war, das Geständnis ihrer Liebe zu wagen, versank jetzt mit einmal wieder in die alten Zweifel und Bedenklichkeiten. Noch einmal sträubte ihre Tugend sich. Sie hat das Herz nicht mehr, ein Wort von dem hervorzubringen, was ihr vorher zur gegenwärtigen Unterredung schicklich geschienen. Sie weiß nicht, was sie sagen soll. Sie stammelt. Sie stockt.
Mit niedergeschlagenen Augen kam der Jüngling, der noch nichts Böses ahnte, ihrer Verlegenheit durch eine Erkundigung nach der Ursache gegenwärtiger Krankheit zu Hilfe.
Nun hat sie wieder Mut, die unglückliche Gelegenheit der Einsamkeit zu nutzen. Sie bedeckt sich das Gesicht mit ihrem Kleide, und unter einem Strom von Tränen spricht sie also mit zitternder Stimme:
»Wisse, die einzige Ursache und Quelle meines Leidens sowie das einzige Rettungsmittel meines Lebens und meiner Wohlfahrt bist allein Du! Deine Augen sind, ach! durch die meinen in mein Herz gedrungen und haben mein innerstes Mark entzündet. Oh, erbarme Dich meiner, die um Dich stirbt! und verbanne die Furcht vor Deinem Vater; erhältst Du ihm doch seine sterbende Gattin! Ach, ich liebe Dich bloß, weil Du sein wahres Ebenbild bist; und ich liebe Dich mit Recht! Nutze nur Zeit und Gelegenheit und sei außer Sorge! Wir sind allein; ungewußt ist ungetan.«
Bestürzt über diese unerwartete Zumutung, stutzte der Jüngling. Der bloße Gedanke, sich so sträflich an seinem Vater zu vergehen, machte ihn im Herzen schaudern; dennoch faßte er sich, und um durch unzeitige Strenge seine Stiefmutter nicht aufzubringen, suchte er lieber durch leere Versprechungen sie zu täuschen. Er beschwor sie, sich nur vor der Hand zu beruhigen und für ihre Gesundheit und Wiederherstellung Sorge zu tragen, bis durch irgendeine Reise sein Vater ihnen freiere Gelegenheit gäbe, ihre beiderseitigen Wünsche zu vergnügen. Und schüchtern floh er der Verführerin aus den Augen.
Um sich bei diesem unglücklichen Vorfall desto besser zu beraten, verfügte er sich sogleich zu seinem alten vormaligen Hofmeister, einem Manne von bewährter Klug- und Rechtschaffenheit. Nach langer Überlegung schien ihnen nichts heilsamer, als durch eine schnelle Flucht dem Ungewitter zu entgehen, welches das zürnende Glück zusammenzöge.
Indessen die Dame liebte viel zu heftig, als daß sie den mindesten Verzug hätte leiden können! Nur allzubald hatte sie durch irgendeine unbegreifliche List ihren Gemahl dazu bewogen, nach seinen entlegensten Gütern eine Reise zu unternehmen, und kaum daß er fort war, so überließ sie sich dem Taumel ihrer üppigen Hoffnung und forderte vom Jünglinge die Erfüllung seines Versprechens.
Unter bald diesem, bald jenem Vorwande wußte der Jüngling ihr eine Zeitlang auszuweichen. Sie merkte aber endlich aus seinen mannigfaltigen Antworten nur gar zu deutlich, wo er
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