Der goldene Esel
als er in selbsteigener Person vor unsrer Tür war und unserm Wirte mit lauter Stimme anbefahl: Unverzüglich uns herauszugeben, man wisse zuverlässig, daß wir in seinem Hause verborgen wären; wo nicht, so würde man ihn für straffällig ansehen.
Doch unser Wirt, dem es ernst war, seinen in Schutz genommenen Freund zu retten, ließ sich nicht ins Bockshorn jagen, sondern verleugnete uns keck.
Es wären schon verschiedene Tage, sagte er, daß er den Gärtner nicht mit Augen gesehen hätte.
Die Soldaten widerstritten es ihm und schwuren beim Kaiser: Bei ihm und nirgend anders sei derselbe verborgen.
Demungeachtet beharrte jener auf seiner Aussage; also beschloß der Magistrat, durch Haussuchung hinter die Wahrheit zu kommen. Pedelle und andere Gerichtsdiener wurden ins Haus geschickt, mit Befehl, alle Winkel geflissentlich zu durchsuchen. Diese kehrten aber nach einer Weile zurück und referierten, es sei im ganzen Hause weder Mensch noch Esel anzutreffen.
War vorher schon gestritten worden, so ging es nunmehr auf beiden Teilen noch heftiger los.
»Es ist nicht wahr!« schrien die Soldaten, »Sie haben nicht recht zugesehen! Der Spitzbube muß drinnen stecken, wir beschwören es beim Kaiser!«
»Bei allen Göttern! er ist nicht bei mir!« gab's unser Wirt zurück; »wenn er da wäre, würde ich ihn gewiß nicht verleugnen!«
Über dem lauten Gezänke ward ich neugierig, zu sehen, was es denn unten gäbe, und machte einen langen Hals und steckte die Nase zum Fenster hinaus. Unglücklicherweise mußte sich in dem Augenblick eben einer von den Soldaten umsehen und meinen Schatten in die Augen kriegen.
»Ha, was seh' ich denn da?« rief er sogleich seinen Kameraden zu, »schaut des Esels Schatten! Guck, Esel!«
Damit sprangen flugs einige nach mir die Treppe hinauf, packten mich an und schleppten mich wie einen Gefangenen hinunter.
Nun hatte aller Streit ein Ende.
Ein jeder ging und suchte im Hause herum, ob er den Gärtner nicht auch entdecken könnte, bis man denselben endlich in seinem Kasten fand. Der arme Teufel ward sehr unsanft aus seinem Schlupfwinkel gezogen, sofort dem Magistrate überliefert und auf Leben und Tod ins Gefängnis geführt.
Jedermann wollte sich über mein possierliches Herausgucken zum Kappfenster totlachen, und »Guck, Esel!« und »Schaut des Esels Schatten!« wurden von der Zeit an als sprichwörtliche Ausrufungen gebraucht, wenn jemand sich irgendworin aus Vorwitz oder Einfalt selbst verriet.
* * *
Zehntes Buch
Ich weiß nicht, was den folgenden Tag aus meinem armen Herrn, dem Gärtner, geworden sein mag; denn der Soldat, der seiner überschwenglichen Grob- und Frechheit halber so brav war ausgeprügelt worden, zog mich, ohne jemandes Widerrede, aus meinem Stalle und führte mich, wie es mir vorkam, nach seinem eigenen Quartier. Nachdem er mich allda mit seiner Bagage bepackt und recht militärisch ausgeputzt und gerüstet hatte, nämlich alle seine Waffen, wie es bei der Armee gehalten wird, überm Gepäck oben sehr zierlich angebracht, den blitzenden Helm, den spiegelnden Schild, ja sogar auch eine baumlange Lanze, die er nach der Regel zwar nicht brauchte, sondern nur den armen Reisenden zum Schrecken führte, begab er sich mit mir auf den Marsch.
Nach einem nicht allzu mühsamen Weg durch eine Ebene gelangten wir zu einem Städtchen, wo wir in keinem Gasthof, sondern in der Wohnung eines Rittmeisters einkehrten. Der Soldat empfahl mich einem Knechte und verfügte sich hurtig zu seinem Obersten.
Ich erinnere mich, daß sich nach einigen Tagen daselbst eine höchst gottlose Geschichte zutrug, die ich hier einrücken will, damit Ihr sie auch erfahrt.
Unser Hausherr hatte einen trefflich unterrichteten und, demzufolge, höchst tugendhaften und bescheidenen Sohn; möge der Himmel einem jeglichen von Euch einen ähnlichen bescheren! Dieses jungen Menschen Mutter war schon vorlängst verstorben; der Vater hatte ihm aber eine Stiefmutter gegeben, mit welcher er noch einen Sohn gezeugt, der bereits über zwölf Jahr alt war.
Es sei nun, daß diese Dame, die überhaupt im Hause mehr ihrer Schönheit als ihres Charakters wegen geachtet wurde, von Natur unzüchtig war, oder daß nur ihr böses Geschick sie zu der äußersten Schandtat hintrieb. Genug, sie warf ein Auge auf ihren Stiefsohn. – Mache Dich nunmehr, bester Leser, nicht auf ein Lust-, sondern auf ein Trauerspiel gefaßt! Jetzt verlasse ich die Socken und gehe auf Kothurnen einher.
Anfangs, als das erste zärtliche
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