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Der goldene Kelch

Der goldene Kelch

Titel: Der goldene Kelch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eloise Jarvis McGraw
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war nur die Fackel, die durch ein Loch in der Wand schien. Als er wieder sehen konnte, wurde das Licht schwächer, die Fackel wurde also weiter in das Innere des Grabes getragen. Er ging weiter und stand vor einem Loch, das, wie er erwartet hatte, aus der verputzten Wand gebrochen war.
    Voller Furcht starrte er durch das Loch, während er seine kalten Hände an den Schenkeln rieb. Zum ersten Mal fragte er sich, wer der Mann gewesen war, der hier begraben lag. Bestimmt ein bedeutender Mann, denn das Grab war groß. Die Fackel wurde weitergetragen, wahrscheinlich in eine Seitenkammer. Die Schritte der Grabräuber hallten gespenstisch wider wie in einer großen Halle, Ranofer bekam eine Gänsehaut. Der Flaum auf seinem Nacken stand ihm zu Berge, als er langsam auf das Loch zukroch. Vor der Öffnung stand er auf, spähte vorsichtig durch das Loch und starrte direkt in ein unheimlich funkelndes Augenpaar, zwei Schritte von ihm entfernt.
    Japsend fiel er zurück, die Augen fest zusammengedrückt gegen das Grauen, das ihn bestimmt zu Tode erschrecken sollte. Im gleichen Moment hörte er jemanden brummen: „Was war das?“
    „Vielleicht ist er ja gar nicht hier, Gevatter“, sagte Heqet erschöpft.
    „Vielleicht nicht“, entgegnete der Alte matt. „Vielleicht ist er Gebu auf einem Boot gefolgt oder zur Steinmetzwerkstatt oder – “ Heqet seufzte. Wozu noch sprechen?
    „Möglich“, sagte der Alte.
    Sie lehnten gegen einen großen Felsen neben einem Haufen Bruchstein, der stumm davon zeugte, dass sich in der Nähe der Eingang zu einem Grab befinden musste. Sie hatten schon ein Dutzend solcher Steinhaufen inspiziert, waren durch das Tal gestreift und hatten nach Grabeingängen gesucht. Sie hatten auch einige gefunden, aber alle waren hinter Felsen und aufgeschüttetem Sand versteckt, und bei keinem Grab entdeckten sie Hinweise darauf, dass es aufgebrochen, ja gar in Jahren aufgesucht worden wäre. Die wenigen Türen, die sie nach sorgfältiger Suche zwischen den Felsen erspähten, trugen das unbeschädigte Siegel des Priesters der Nekropole. Auch den Eingang zu dem Grab, neben dem sie nun standen, hatten sie entdeckt. Auch diese Entdeckung war enttäuschend und entmutigend gewesen. Es schien sinnlos, in diesem langen Tal aufs Geratewohl zu suchen. Sie waren nach Norden bis zu dem Steinhaufen gegangen, hinter dem der Geier aufgeflogen war – aber Richtung Süden gab es genauso viele Gräber. Das ganze Tal war voller Gräber, es gab Dutzende, ja Hunderte davon. „Wenn er hier wäre, hätten wir ihn bestimmt schon gesehen“, sagte Heqet. „Es sei denn…“, mit weit aufgerissenen Augen drehte er sich zu dem Alten, „es sei denn, er ist schon in einem Grab!“
    „Wenn er das getan hat, dann kommt jede Hilfe für ihn zu spät“, sagte der Alte mit finsterem Blick. „Meinst du, er könnte es getan haben?“
    „Nein, bestimmt nicht“, murmelte der Alte. Er entfernte sich ein paar Schritte vom Felsen und sah sich unsicher um.
    „Dieses Tal ist an sich schon Furcht erregend genug, hinter jedem Felsen könnte ein Khefti stecken und uns beobachten. Ich mag diese Gegend hier nicht besonders.“
    „Ich auch nicht“, stimmte Heqet ihm lebhaft zu. „Aber ein Grab zu betreten – und auch noch in Gesellschaft dieser beiden Schurken –, das wäre weitaus Furcht erregender. Ich kann nicht glauben, dass er das tun würde. Komm, mein Junge, lass uns nach Theben zurückgehen. Vielleicht wartet er ja auf uns.“ Aber der Alte klang nicht sehr überzeugt.
    Heqet nickte kraftlos. Betrübt trotteten sie den gleichen Weg zurück, den sie gekommen waren, stapften durch den heißen Sand vorbei an gleißenden Felsen. Heqet stolperte, er hielt sich die Hand zum Schutz vor der blendenden Sonne über die Augen. „Gevatter“, sagte er leise, „vielleicht hat ihm dieser Gebu ja etwas angetan. Vor Stunden schon… oder letzte Nacht. Wie sollen wir das wissen?“, fragte er bedrückt.
    „Das können wir nicht wissen.“ Auch der Alte hielt sich die Hand über die Augen, um den Einschnitt im Fels zu finden, wo der Pfad nach Theben hinaufführte. Dann ließ er die Hand sinken und humpelte weiter.
    Die Stille schien Ranofer so lange zu dauern wie die Ewigkeit selbst. Er lag eng zusammengerollt auf dem Boden, ihm war ganz schlecht vor Angst. Dann hörte er in der Vorkammer Gebus Stimme, sie klang so unbekümmert wie immer.
    „Nichts war das, du Hohlkopf! Du hast ja Angst vor deinem eigenen Schatten!“
    „Ich habe aber ein Geräusch

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