Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Goldene Kompass

Der Goldene Kompass

Titel: Der Goldene Kompass Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Pullman
Vom Netzwerk:
Schlangendæmon.«
    Lyra begriff sofort, daß er sie nur loswerden wollte, um sich mit der jungen Frau über privatere Dinge unterhalten zu können. Die junge Frau schien sich allerdings mehr für Lyra zu interessieren und ging ihr nach.
    »Einen Augenblick… Wie heißt du denn?«
    »Lyra.«
    »Ich heiße Adele Starminster. Ich bin Journalistin. Kann ich in Ruhe mit dir reden?«
    Da Lyra es inzwischen für ganz natürlich hielt, daß alle Welt mit ihr reden wollte, sagte sie nur: »Klar.«
    Der Schmetterlingsdæmon der Frau flog auf, sah sich nach rechts und nach links um, kam wieder herunter und flüsterte etwas, worauf Adele Starminster sagte: »Komm mit zum Fensterplatz.«
    Das war einer von Lyras Lieblingsplätzen; man sah von dort auf den Fluß, und um diese Abendzeit leuchteten die Lichter am gegenüberliegenden Südufer hell über ihren Spiegelbildern im schwarzen Wasser der Flut. Ein Schlepper zog mehrere Kähne flußaufwärts. Adele Starminster setzte sich auf das Sitzpolster und rückte dann zur Seite, um Platz zu machen.
    »Sagte Professor Docker nicht, du hättest irgend etwas mit Mrs. Coulter zu tun?«
    »Ja.«
    »Was denn? Du bist doch nicht ihre Tochter? Eigentlich müßte ich es ja wissen…«
    »Nein!« sagte Lyra. »Natürlich nicht. Ich bin ihre persönliche Assistentin.«
    »Ihre persönliche Assistentin? Bist du dazu nicht noch zu jung? Ich dachte, du seist mit ihr verwandt oder so etwas. Wie ist sie denn so?«
    »Sie ist sehr klug«, sagte Lyra. Vor diesem Abend hätte sie noch viel mehr gesagt, aber die Lage hatte sich geändert.
    »Ja, aber persönlich«, bohrte Adele Starminster weiter. »Ich meine, ist sie freundlich oder ungeduldig oder was? Wohnst du mit ihr zusammen? Wie ist sie privat?«
    »Sie ist sehr nett«, sagte Lyra unerschütterlich.
    »Was für eine Arbeit machst du? Wie hilfst du ihr?«
    »Ich mache Rechnungen und all das. Zum Beispiel für die Navigation.«
    »Aha, verstehe… Und woher kommst du? Wie heißt du noch?«
    »Lyra. Ich komme aus Oxford.«
    »Warum hat Mrs. Coulter gerade dich ausgewählt, um…«
    Sie brach ab, weil Mrs. Coulter plötzlich neben ihnen stand. Aus der Art, wie Adele Starminster zu ihr aufsah, und dem aufgeregten Flattern ihres Dæmons um ihren Kopf folgerte Lyra, daß die junge Frau nicht zur Party eingeladen worden war.
    »Ich weiß nicht, wie Sie heißen«, sagte Mrs. Coulter sehr ruhig, »aber ich werde es innerhalb von fünf Minuten herausfinden, und dann werden Sie nie mehr als Journalistin arbeiten. Jetzt stehen Sie ganz ruhig auf, ohne Ärger zu machen, und verschwinden. Ich möchte hinzufügen, daß wer immer Sie hierhergebracht hat, ebenfalls dafür bezahlen wird.«
    Mrs. Coulter schien mit einer Art anbarischen Energie geladen. Sie roch sogar anders; ihr Körper verströmte einen Geruch wie nach heißem Metall. Lyra hatte ihn bereits früher wahrgenommen, aber jetzt erlebte sie zum erstenmal, daß er sich gegen jemand anders richtete, und die arme Adele Starminster war ihm machtlos ausgeliefert. Ihr Dæmon fiel matt auf ihre Schulter, schlug noch ein- oder zweimal mit seinen prächtigen Flügeln und wurde dann ohnmächtig, und die Journalistin selbst schien sich kaum mehr aufrecht halten zu können. Leicht vornübergebeugt schleppte sie sich durch das Gedränge der lärmenden Gäste zur Salontür, eine Hand an der Schulter, um zu verhindern, daß ihr bewußtloser Dæmon herunterfiel.
    »Nun?« sagte Mrs. Coulter zu Lyra.
    »Ich habe ihr nichts Wichtiges gesagt«, sagte Lyra.
    »Was hat sie gefragt?«
    »Nur was ich mache, wer ich bin und so weiter.«
    Als Lyra das sagte, merkte sie auf einmal, daß Mrs. Coulter allein war, ohne ihren Dæmon. Wie war das möglich? Einen Moment später erschien der goldene Affe jedoch wieder an ihrer Seite, und Mrs. Coulter bückte sich, nahm seine Pfote und schwang ihn sich ohne Anstrengung auf die Schulter. Schlagartig schien die Anspannung von ihr abzufallen.
    »Wenn du noch jemandem begegnest, der ganz offensichtlich nicht eingeladen worden ist, Liebes, sagst du mir gleich Bescheid, ja?«
    Der scharfe, metallische Geruch war verflogen. Vielleicht hatte Lyra sich ihn nur eingebildet. Sie roch wieder Mrs. Coulters Parfüm, die Rosen, den Rauch der Zigarillos und die Parfüms der anderen Frauen. Mrs. Coulter sah Lyra mit einem Lächeln an, das soviel zu bedeuten schien wie »Wir zwei, wir verstehen uns schon, wie?«, dann ging sie, um einige andere Gäste zu begrüßen.
    »Während sie mit dir redete, kam

Weitere Kostenlose Bücher