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Der Goldene Kompass

Der Goldene Kompass

Titel: Der Goldene Kompass Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Pullman
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keine Ahnung. Ich bin überzeugt, du kennst dich da viel besser aus als ich. Aber zurück zu den Elektronen…«
    Später sagte Pantalaimon: »Weißt du noch, wie sich das Fell ihres Dæmons sträubte? Ich stand hinter ihm, und sie griff so fest hinein, daß ihre Knöchel weiß hervortraten. Du konntest es nicht sehen. Sein Fell blieb ganz lange gesträubt, und ich dachte schon, er wollte dich anspringen.«
    Es war seltsam, aber weder Lyra noch Pantalaimon wußten, was sie davon halten sollten.
    Neben dem eigentlichen Unterricht lernte Lyra auch andere Dinge, aber auf so angenehme und geschickte Weise, daß sie es gar nicht als Unterricht empfand. Sie lernte, wie man sich die Haare wusch, welche Farben einem am besten standen, wie man etwas so charmant ablehnte, daß niemand gekränkt war, und wie man Lippenstift, Puder oder Parfüm auftrug. Mrs. Coulter sagte Lyra nicht, wie sie sich schminken sollte, aber sie wußte, daß Lyra sie beobachtete, wenn sie sich selbst zurechtmachte, und sie sorgte dafür, daß Lyra wußte, wo sie ihre Kosmetika aufbewahrte, und diese allein kennenlernen und ausprobieren konnte.
     
     
    Die Zeit verging, und aus Herbst wurde Winter. Ab und zu dachte Lyra noch an Jordan College, aber es erschien ihr klein und ruhig im Vergleich zu dem geschäftigen Leben, das sie jetzt führte. Manchmal dachte sie auch mit leichten Gewissensbissen an Roger, aber dann stand ein Opernbesuch, ein neues Kleid oder ein Besuch im Royal Arctic Institute auf dem Programm, und sie vergaß ihn wieder.
    Als ungefähr sechs Wochen vergangen waren, beschloß Mrs. Coulter, eine Cocktailparty zu veranstalten. Lyra hatte den Eindruck, daß es etwas zu feiern gab, obwohl Mrs. Coulter nicht sagte, was. Mrs. Coulter bestellte Blumen, sprach mit Lieferanten über Häppchen und Getränke und verbrachte einen ganzen Abend damit, zusammen mit Lyra die Gästeliste zu erstellen.
    »Den Erzbischof müssen wir einladen. Ich kann mir nicht leisten, ihn zu übergehen, obwohl er ein entsetzlicher Snob ist. Lord Boreal ist in der Stadt; er ist amüsant. Und Prinzessin Postnikova. Findest du, wir sollten Erik Andersson einladen? Ich frage mich, ob es nicht an der Zeit ist, ihn aufzunehmen…«
    Erik Andersson war ein sehr gefragter Tänzer. Lyra hatte zwar keine Ahnung, was mit »ihn aufnehmen« gemeint war, aber sie genoß es trotzdem, nach ihrer Meinung gefragt zu werden. Pflichtbewußt schrieb sie alle Namen auf, die Mrs. Coulter ihr vorschlug — ihre Rechtschreibung war fürchterlich —, und strich sie wieder durch, wenn Mrs. Coulter sich doch noch anders entschied.
    Als Lyra an diesem Abend zu Bett ging, flüsterte Pantalaimon aus dem Kissen: »Sie wird nie in den Norden fahren! Sie behält uns für immer hier. Wann laufen wir weg?«
    »Unsinn«, flüsterte Lyra zurück. »Du kannst sie nur nicht leiden. Dein Pech! Ich mag sie. Und warum sollte sie uns in Navigation und allem unterrichten, wenn sie nicht mit uns in den Norden fahren will?«
    »Damit du nicht ungeduldig wirst, deshalb. In Wirklichkeit willst du doch gar nicht artig und brav auf dieser Cocktailparty herumstehen. Sie macht einen Schoßhund aus dir.«
    Lyra drehte ihm den Rücken zu und schloß die Augen. Doch Pantalaimon hatte recht. So großartig das gesellschaftliche Leben war, das sie führte, sie fühlte sich dadurch eingeengt und eingesperrt. Sie hätte alles für einen Tag mit ihren Oxforder Spielkameraden gegeben, für eine Schlacht in den Lehmgruben und ein Wettrennen entlang des Kanals. Nur die quälende Hoffnung auf eine Reise in den Norden ließ sie weiterhin höflich und aufmerksam zu Mrs. Coulter sein. Vielleicht begegneten sie dort Lord Asriel. Vielleicht verliebten er und Mrs. Coulter sich ineinander und heirateten und adoptierten Lyra, und dann würden sie Roger aus der Hand der Gobbler befreien.
    Am Nachmittag der Cocktailparty ging Mrs. Coulter mit Lyra zu einem Modefriseur, der ihre widerspenstigen dunkelblonden Haare zu weichen Wellen fönte und ihre Fingernägel feilte und polierte; man zeigte ihr sogar, wie man etwas Makeup auf Augen und Lippen auftrug. Dann holten sie das neue Kleid ab, das Mrs. Coulter für Lyra bestellt hatte, und kauften ihr Lackschuhe, und dann war es auch schon Zeit, in die Wohnung zurückzukehren, nach den Blumenarrangements zu sehen und sich umzuziehen.
    »Nicht die Umhängetasche, Liebes«, sagte Mrs. Coulter, als Lyra voller Stolz auf ihr schönes Aussehen aus dem Schlafzimmer kam.
    Lyra hatte sich angewöhnt, eine

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