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Der goldene Kuß

Der goldene Kuß

Titel: Der goldene Kuß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Buch. Vera starrte ihn an.
    »Das ist ja ein Telefonbuch …« stotterte sie.
    »Ganz richtig. Setzen Sie sich dort in den Biedermeiersessel und lesen Sie aus dem Telefonbuch vor. Namen, Beruf, Adresse, Nummer. Aber in vier Variationen: einmal nüchtern und einmal, als suchten Sie einen bestimmten Namen, der Ihnen viel wert ist; dann gehetzt, als wolle man Ihnen an den Kragen, zum Schluß abschiednehmend, als brächten Sie sich gleich mit Gift um. Alles klar?«
    Vera nickte und setzte sich auf den Sessel. Sie schlug das Telefonbuch auf. Schmitz. Ausgerechnet Schmitz.
    »Einstellung. II. Kamera läuft …«
    »Schmitz, Hubert, Handelsvertreter. Bonnstraße. 63 87 91. Schmitz, Hugo, Kunststeinwerk, Alter Graben 17. 21 89 49. Schmitz, Ingo, Architekt …«
    Vera las die Namen aus dem Telefonbuch, wie Theo Pelz es ihr gesagt hatte. Das geht daneben, dachte sie dabei. Das geht hundertprozentig daneben. Ein Telefonbuch vorlesen! Das ist ja ein Witz. Das ist eine Gemeinheit. Sie erlauben sich mit mir einen billigen Scherz.
    Ihre Stimme zitterte etwas. Und dann tat sie, was sie sollte … sie las die Namen gehetzt, ängstlich, traurig, abschiednehmend. Beim letzten Namen, den sie lesen wollte, ließ sie das Buch fallen und lehnte sich weit zurück. Ihre Bluse spannte sich dadurch, ein Knopf sprang ab, die Bluse klaffte auf und gab einen Blick auf ihren Büstenhalter frei. Kamera III nahm das in Großaufnahme auf. Im Regieraum schloß man mit dieser Aufnahme den Probefilm.
    »Danke. Gestorben! Licht aus!«
    »Das war sehr gut, Vera«, sagte Pelz, als Vera mit zugehaltener Bluse zu ihm kam. »Dieser Blusentrick, gekonnt …«
    »Es war ein Unfall, Herr Direktor«, stotterte Vera.
    »Aber ein süßer Unfall.« Pelz faßte sie unter und zog sie aus dem Studio. »Kommen Sie, wir gehen in die Kantine, etwas essen.«
    Ein breites Grinsen der Kameramänner folgte ihnen, als sie die Tür des Studios zufallen ließen.
    *
    Dr. Rathberg saß mißmutig im Vorführraum. Die Presse-Erklärungen über Karin Jarut hatten wie eine Bombe eingeschlagen. Und wie ein Rohrkrepierer. Man nannte den Sender heuchlerisch. Die Volksseele kochte. Karin Jarut war beliebt, von Dr. Rathberg sprach kaum einer. Wie kann ein solcher Mann einen Star feuern? Hat er die Moral gepachtet? Ein Ehebruch … ach Gott, so etwas liest man täglich. Wer soll nun ›Ich suche Kain‹ weiterspielen? Und dann das große Projekt im Hintergrund, die lange Planung für die Riesen-Show ›Der goldene Kuß‹? Sie war ohne Karin Jarut undenkbar.
    »Nun zeigen Sie mir mal Ihr Wunderkind«, sagte Dr. Rathberg sarkastisch, als sich Theo Pelz neben ihn setzte. »Wie alt?«
    »Zwanzig Jahre.«
    »Teenager-Modell, was?«
    »Warten Sie ab, Herr Intendant. Es beginnt gleich mit einer Sensation.«
    Der Film lief an. Studio 6. Klappe I. Ein verstörtes, hilfloses Mädchengesicht mit zerzausten schwarzen Haaren. Großaufnahme. Dann Rückfahrt zur Halbtotalen. Ein schöner Körper unter dem herrlichen Kopf.
    Dr. Rathberg beugte sich interessiert vor. Pelz lächelte milde.
    Jetzt die Stimme.
    »Was soll ich denn sprechen? Mir hat doch keiner was gesagt?! Was soll ich denn …?«
    »Süß!« sagte Dr. Rathberg leise. »Einfach süß. Und ein gemeiner Trick von Ihnen, Pelz.«
    »Sehen Sie weiter, Herr Intendant.«
    Klappe II. Biedermeierzimmer. Im Sessel Vera Hartung mit einem Telefonbuch auf dem Schoß. Dr. Rathberg wandte sich zu Pelz um.
    »Das ist fast schon Sadismus, Pelz! Biedermeier, Telefonbuch. Das ist Happening.«
    »Schmitz, Hubert, Handelsvertreter …«
    »O Gott!« rief Dr. Rathberg. »Das darf nicht wahr sein! Sie sind ein Teufel, Pelz! Das arme Ding …«
    Aber dann war es ganz still, denn was da auf der Mattscheibe des Monitors zu ihm sprach, war ein Mädchen, das verliebt war, das gehetzt wurde, das Abschied nahm vom Leben … was sie sprach, das hörte man gar nicht, das ewige Schmitz … Schmitz … verwischte sich auf dem Weg vom Ohr zur Seele … Dort saß ein Mädchen, dem es das Herz zerriß.
    Die Schlußszene. Das Platzen der Bluse. Der Büstenhalter in Großaufnahme.
    Dr. Rathberg atmete tief auf.
    »Plötzlich begreife ich das absurde Theater«, sagte er. »Pelz, Sie haben eine ganz große Entdeckung gemacht. Ich stimme Ihnen zu: Diese Vera Hartung ist ein kommender Stern! Sagen Sie ihr, daß ich sie beglückwünsche und daß ich heute abend mit ihr essen möchte.«
    Theo Pelz durchzuckte es. »Heute abend?«
    »Ja.« Dr. Rathberg sah seinen Programmdirektor

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