Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der goldene Kuß

Der goldene Kuß

Titel: Der goldene Kuß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
unterliegen. Wirkungsvoller war die Intrige, war der Kampf aus dem Dunkeln, war der Partisanenkampf. In dieser Hinsicht glich ein Sender fast den Dschungelkämpfen in Kambodscha: So wie dort hinter jedem Busch ein Feind lauern konnte, so lag im Sender hinter jeder Tür ein Heckenschütze, der den unbequemen Nebenbuhler durch geschickt umhergestreute Bemerkungen aus dem Gefecht zog. Hier schoß jeder gegen jeden, auch wenn sie sich auf den Fluren und in den Studios umarmten oder in der Kantine zusammen ein Bier oder einen Kognak tranken.
    Geduldig wartete Pelz, was der Abend noch bringen würde. Zwei Stunden später gab es zum Abschluß eine Flasche französischen Champagner.
    Bezahlt alles der Sender, dachte Pelz gehässig. Dr. Rathberg würde sich nachher eine quittierte Rechnung ausstellen lassen für die Spesenabrechnung.
    »Ich schlage vor«, sagte Dr. Rathberg fröhlich nach dem zweiten Glas Sekt, »daß wir uns über Ihre Rolle in ›Ich suche Kain‹ in aller Ruhe unterhalten. Haben Sie Sonntag etwas vor?«
    »Nein«, sagte Vera stockend. Am Sonntag, dachte sie. So ist das also! Auch bei dem strengen Dr. Rathberg wird nur mit Seelenwasser gekocht, wenn es um eine schnelle Karriere geht … Sie sah ihn mit ihren großen, glänzenden Augen an und stellte fest, daß Dr. Rathberg diesen Blick als eine stumme Aufmunterung ansah.
    »Wir fahren hinaus in die herrliche Natur«, sagte er unbefangen. »Der Herbstwald, diese Färbung, ein Dom aus goldenen Blättern, durch den die Sonne schimmert. Was ist schöner als die Herbstbuntheit der Natur? Ich liebe diese Farbenpracht«, schwärmte er fast jungenhaft. Er beugte sich vor, nahm Veras Hände und drückte sie. Dabei warf er einen langen Blick in ihren Ausschnitt und schien mit dem Ergebnis zufrieden zu sein. »Ich zeige Ihnen eines der schönsten Fleckchen dieser Erde. Sie bleiben doch noch bis Sonntag hier?«
    »Ich wollte eigentlich morgen fahren, Herr Intendant.«
    »Sie bleiben natürlich. Und wenn wir unter uns sind, verzichten wir auf den ›Intendant‹. Nennen Sie mich einfach Dr. Rathberg. Sie werden morgen früh das Drehbuch bekommen und sich in die Rolle einarbeiten. Ich weiß, daß Sie ein Star werden, Vera.«
    Zähneknirschend sah Pelz später, wie Dr. Rathberg mit seinem Wagen Vera Hartung zu ihrem kleinen Hotel brachte. Er konnte ihnen nicht folgen, das wäre aufgefallen.
    So sah er auch nicht, wie Dr. Rathberg etwas entfernt von dem Hoteleingang an einer unbeleuchteten Stelle der stillen Straße hielt und den Arm um Veras Schulter legte.
    »Schlafen Sie gut, Vera«, sagte er. »Und wenn Sie träumen, dann von der neuen Rolle … und von mir.«
    »Ich will mir Mühe geben«, sagte Vera stockend. Sie spürte, wie die Hand Dr. Rathbergs ihre nackte Schulter streichelte. Aber das konnte unbewußt sein, eine nervöse Reflexion.
    »Was halten Sie eigentlich von mir?« fragte Rathberg plötzlich. Vera fuhr zusammen.
    »Wieso, Herr Doktor?«
    »Ich lebe einsam wie ein Dalai-Lama in meinem Büro. Keiner sagt mir die Wahrheit, ich weiß es. Seien Sie ehrlich: Wie bin ich? Wie sehen Sie mich?«
    »Sie … Sie sind anders, als man mir gesagt hat …«, antwortete sie leise. Sein Streicheln wurde stärker … es handelte sich um keine nervöse Reflexion, so viel war jetzt sicher. »Sie gelten als unnahbar.«
    »Das bin ich gar nicht.« Dr. Rathberg atmete tief auf. Er schielte auf die Brust Veras. Eine ungeheure Lockung ging von diesen straffen weißen Kugeln aus. »Ich liebe alles Schöne, alles Natürliche. Ich bin ein Schöngeist.« Dr. Rathberg beugte sich über Vera und küßte sie in die Halsbeuge. Es war ihr, als durchzucke sie ein elektrischer Schlag. Sie machte sich steif und wußte nicht, was sie tun würde, wenn er weiterging.
    Da ergriff er plötzlich ihren Kopf, zog ihn zu sich und küßte sie auf den Mund. Ebenso schnell ließ er sie wieder los.
    »Herr Intendant …«, sagte Vera tief atmend.
    Dr. Rathberg öffnete die Wagentür und sprang auf die Straße. »Gute Nacht«, sagte er mit belegter Stimme. »Ich hole Sie am Sonntag gegen zehn Uhr vormittags vom Hotel ab.«
    Wieder im Wagen, sah er Vera Hartung nach, wie sie zum Hotel ging. Leicht, graziös, hübsch, lockend, ein Bild der Jugend. Er blieb im dunklen Wagen sitzen, bis sie im Hotel verschwunden war. Sie wird nächste Woche das Hotel wechseln, dachte er. Sie muß in einem großen Hotel wohnen, wo der Portier nicht jeden Gast kennt und weiß, ob er ein Einzelzimmer oder ein Doppelzimmer

Weitere Kostenlose Bücher