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Der goldene Kuß

Der goldene Kuß

Titel: Der goldene Kuß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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ich für alle Zeiten häßlich?«
    Horst Helmke beugte sich über sie. Es fiel ihm unendlich schwer, etwas zu sagen. Er küßte sie und schmeckte die salzige Feuchtigkeit auf ihren Lippen. Sie weinte. Die Tränen rannen über den Verband zu ihrem Mund.
    »Ich weiß es nicht«, sagte er ehrlich. »Wir wissen es alle noch nicht … Wir müssen hoffen …«
    *
    Diesmal gelang es, über einen Vorfall im Funkhaus völliges Stillschweigen zu wahren. Intendant Dr. Rathberg selbst ließ alle Mitarbeiter, die im Studio den Zusammenbruch Vera Hartungs miterlebt hatten, zu sich kommen und verpflichtete sie dazu. »Wenn ein einziger Ton an die Öffentlichkeit dringt«, sagte er zu der Versammlung, die sein großes Büro füllte, »werde ich nicht erst lange untersuchen lassen, wer hier den Mund aufgemacht hat; ich werde lediglich für alle von Ihnen Kündigungsschreiben diktieren beziehungsweise eine Versetzung beantragen.« Er blickte über die Vielzahl der Köpfe hinweg. »Haben wir uns verstanden?«
    Gemurmel antwortete ihm. Dann verließen die bedrückten Mitarbeiter das Chefzimmer und verteilten sich wieder auf ihre Zimmer im Funkhaus. Zurück blieb Theo Pelz, der eine Liste aller Anwesenden angefertigt hatte.
    »Was nun?« fragte Dr. Rathberg ziemlich erschüttert. »Was meldet die Klinik?«
    »Helmke ist bei Vera. Sie weiß, was geschehen ist. Er hat es ihr gesagt.«
    »Und wie nimmt sie es auf?«
    »Tapfer.« Pelz blickte auf seine Schuhspitzen. »Was bleibt ihr anderes übrig?«
    »Und die Ärzte?«
    »Sie haben Hoffnung.«
    »Wirklich?« Dr. Rathberg ging wieder an sein großes Fenster. Der Blick über den Fluß war wie eine Flucht. Hier stand er immer, wenn er nachdachte, wenn ihm etwas sehr ans Herz ging, wenn er sich ärgerte oder wenn er Ruhe brauchte. Die Weite der Landschaft, das träge fließende Wasser, die Schiffe, der helle Himmel – sie waren wie Balsam für ihn. Sie zeigten ihm, wie klein der Mensch ist in seiner grandiosen Umgebung, und wie sinnlos es doch sein kann, sich über kleine Dinge aufzuregen. Der Strom floß weiter, nichts änderte sich. Dieser Blick aus dem Fenster war schon oft Medizin für Dr. Rathberg gewesen.
    »Sie wird ihr Gesicht behalten?« fragte er leise.
    »Ja. Das Unterfett hat vieles neutralisiert.« Theo Pelz nahm eine Zigarette aus dem silbernen Kasten. Seine Finger bebten etwas, als er sie anzündete. »Nicht auszudenken, wenn der Anschlag gelungen wäre …« Er sah auf seine Armbanduhr. »Die Herren von der Kriminalpolizei müssen gleich kommen.«
    »War das nötig?« fragte Dr. Rathberg gequält.
    »Nicht ich habe sie verständigt, sondern der Chef der Klinik. Nachdem im Labor die Salzsäure festgestellt worden war.«
    »Man wird den Täter nie finden! Zu viele Personen haben Zutritt zu den Garderoben! Wenn niemand einen Verdacht hat, dann suchen Sie mal unter hunderttausend Personen einen Mann mit einer Warze am Knie, ohne die Hunderttausend auszuziehen!«
    Genauso war es auch.
    Nach zwei Stunden verließen die Herren von der Kriminalpolizei wieder das Funkhaus, ohne etwas gefunden zu haben. Sie hatten die Garderobe Vera Hartungs auf den Kopf gestellt, sie hatten Beleuchter, Kameramänner, Regisseur Cranz, Skriptgirl, Atelierarbeiter, Schauspieler und den großen Meisterclown verhört – das Ergebnis war mager. Niemand konnte sich denken, wer in die Schminke Veras die Salzsäure gemischt hatte. Nur als ein Beamter ganz nebenbei Detlev Cranz fragte: »Hat es in letzter Zeit zwischen Vera Hartung und anderen Kollegen einen großen Streit gegeben?« schüttelte er zwar den Kopf, aber seine Augen wurden merkwürdig starr.
    Die Außenaufnahmen auf der Skihütte.
    Biggi Bergens unmögliches Benehmen und Hinauswurf.
    Die Drohung, sich zu rächen.
    Detlev Cranz zog sich in sein Zimmer zurück, das man Regisseuren zum Ausruhen zur Verfügung stellte, trank ein paar doppelstöckige Kognaks und schüttelte immer wieder den Kopf.
    »Das ist nicht möglich«, sagte er schließlich laut zu sich selbst. »Sie ist ein kleines Biest, aber so etwas ist unmöglich.«
    Aber er handelte schnell. Als Regisseur ein Meister von dramatischen Effekten, baute er jetzt eine kleine eigene Szene auf, eine Privatinszenierung, simpel und kostenlos, aber von einer höllischen Wirksamkeit.
    Ein paar Rundgespräche im Haus überzeugten ihn davon, daß Biggi Bergen nicht im Studio war, als Vera mit verätztem Gesicht zusammenbrach. Sie saß zu Hause in ihrer kleinen möblierten Wohnung und wartete darauf,

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