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Der goldene Kuß

Der goldene Kuß

Titel: Der goldene Kuß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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klatschten, in Millionen Wohnungen lehnte man sich zurück … »Jetzt geht's los, Mathilde! Komme her, laß das Spülen sein! Jetzt kommt Vera Hartung …«
    Cranz hockte wie aus dem Wasser gezogen auf seinem Sitz und stöhnte. Das Aufflammen des Lichtes war für ihn wie ein Todesschuß gewesen. Das Lampenfieber zerstörte ihn völlig … aber dann erstand aus Asche ein neuer Mensch, kühl, umsichtig, klar, durch nichts aus der Ruhe zu bringen. So war es jedesmal; eine Minute vor Beginn wurde Detlev Cranz neu geboren.
    »Ballett!«
    Die Girls tanzten aus der Seitenkulisse in die Scheinwerfer. Cranz wischte sich den Schweiß von der Stirn, holte ein paarmal tief Atem.
    »Kopf hoch!« murmelte er und gab dann im Regie- und Bildmischraum mit einer unheimlichen Ruhe seine Kommandos.
    »Kamera 6 … jetzt 1 … jetzt 4 … jetzt 3 …«
    Die Sendung ›Der goldene Kuß‹ lief.
    Zwischen zwei nach Leim und Farbe stinkenden Kulissenwänden stand Vera und wartete auf ihr Stichwort. Sie war ebenfalls ganz ruhig, zu ruhig, wie Pelz von weitem bemerkte. Er kannte das … sie fressen es in sich hinein, und nachher sind sie verkrampft. Sie zwingen sich zur Ruhe, aber das Herz drückt ihnen die Luft ab. Die großen ›Lampenfieberer‹ sind da anders … sie vergehen vor Angst, sie könnten mit dem Kopf gegen die Wand rennen oder wie der große Tenor Gigli den Wunsch haben, jetzt, in diesem Augenblick, schlicht zu sterben … und dann treten sie auf die Bühne und alles ist weg, sie sind frei wie ein Vogel in der Frühlingsluft, und ihre Kunst reißt die Millionen mit.
    Noch einmal wurde Veras Gesicht schnell von ihrem Maskenbildner überpudert. Ein Blick in den vorgehaltenen Handspiegel, ein Nicken … alles in Ordnung.
    Ein schönes, ebenmäßiges Gesicht.
    Vor vier Wochen wußte man noch nicht, ob es zerstört worden war. Vor vier Wochen lag sie noch in der Klinik, und als der Professor den Verband abnahm und sie dann stumm betrachtete, hatte sie leise gesagt: »Bitte, sagen Sie nichts, Herr Professor … ich will es selbst sehen. Geben Sie mir einen Spiegel …«
    Eine Schwester hatte ihn ihr gegeben, und sie hatte einige Minuten gebraucht, bis sie die Kraft und den Mut hatte, ihn hochzuheben und in die blanke Scheibe zu blicken.
    Noch war die Haut etwas fleckig, aber sie war nicht zerfressen. Keine Fratze starrte sie an, sondern ihr Gesicht, ihr schönes, schmales, vollendetes Gesicht. Da hatte sie geweint, vor Freude, vor Erlösung aus aller Qual, und hatte dem Professor stumm die Hand gedrückt.
    Was wäre geworden, wenn die Säure sie zerstört hätte? Wie wäre das Leben weitergegangen?
    Nicht daran denken …
    Noch eine Minute bis zum Stichwort.
    Dann hinaus in die Scheinwerfer … und der neue Star war geboren!
    Achtung, Vera! Pelz hob die Fäuste. Toi, toi, toi …
    … Eine Stimme … »das Mädchen, das Millionen schon kennen: Vera Hartung!«
    Wieder klatschten achttausend Hände. In Millionen Wohnzimmern starrte man auf die Mattscheibe. »Jetzt kommt se, Mathilde …«
    »Süß sieht se aus. Richtig süß. Pst, hör doch mit der Tellerklapperei auf …«
    Vera stand auf der riesigen Bühne, umrauscht vom Beifall. In der Seitenkulisse stand Theo Pelz und wedelte sich mit einem großen Taschentuch Luft zu. Hinter der Kamera I vor der Bühne hob Horst Helmke schnell die Hand. Er brachte Veras Gesicht in Großaufnahme … im Regieraum nahm Cranz die Idee auf und drückte auf Kamera I. In vierzig Millionen Herzen wehte der strahlende Blick Vera Hartungs.
    »Liebe Freude …«
    Veras Stimme. Und wie sie es sagte: Liebe Freunde … jeder fühlte sich angesprochen, jeder war in dieser Sekunde glücklich, ihr Freund zu sein.
    »… ich bin glücklich, unter euch zu sein. Ich habe von der Insel Zypern ein kleines Lied mitgebracht, das dort die Mütter ihren Kindern vorsingen, wenn die Männer noch in den Tavernen bei Wein und Käse sitzen und die Nacht über das weite Land sinkt. Es ist das Lied der griechischen Mütter, der tapferen Frauen eines geteilten Landes …«
    »Toll«, flüsterte Theo Pelz zu dem neben ihm stehenden Produktionsleiter. »Das kommt an. Das treibt Millionen Tränen in die Augen. Das rauscht unter die Haut. Der Text war doch nicht im Drehbuch, die Szene auch nicht … das ist doch alles neu.«
    »Ja. Wir haben den Anfang ganz aktuell gemacht. Der deutsche Text ist übrigens von Vera selbst.«
    »Ein Naturereignis!« Theo Pelz lehnte sich gegen die Kulisse. »Daß ich so etwas entdeckt habe, kann man

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