Der goldene Thron
Isabelle, ob Darragh wusste, dass der Normanne, von dem er gesprochen hatte, ihr Vater war.
»Die Leute im Dorf haben gesagt, ich hätte das Kind auf dem Gewissen, aber das stimmt nicht!« Er seufzte tief, dann fügte er voller Stolz hinzu: »Ich bin losgezogen, um den Wolf zu töten, und als ich ihn ins Dorf brachte und vor aller Augen ausnahm, kam ein Fetzen von dem Kittel des verschwundenen Kindes zum Vorschein.« Er beugte sich zu Isabelle vor. »Trotzdem glaubten sie mir nicht und fürchten mich noch immer.« Er sah ihr einen Moment lang schweigend ins Gesicht. Traurigkeit und Verzweiflung standen in seinen Augen. Wenn stimmte, was der verrückte Alte sagte, dann hätten ihn die Dorfbewohner feiern müssen wie einen richtigen Helden, anstatt ihn zu meiden.
Darragh legte das Wolfsfell wieder auf den Boden zurück. »Die im Dorf glauben, ich sei irr, aber das bin ich nicht!«
Als er heiser lachte und dann krähte wie ein Hahn, lief Isabelle ein kalter Schauder über den Rücken. Gewiss war Darragh dochverrückt, vielleicht sogar gefährlich! Vielleicht hatte er sich die Geschichte mit dem Wolf nur ausgedacht und ließ sie nie wieder fort! Womöglich hatte Mim nicht einmal ein weiteres Kätzchen im Bauch. Wer konnte schon wissen, was Isabelle zu ertasten geglaubt hatte? Vielleicht hatte der Verrückte nur versucht, sie in seine Hütte zu locken, und sie war ihm gefolgt!
»Ich sollte gehen«, stammelte Isabelle. Sie fühlte Schweiß unter ihren Armen und ihren Rücken herablaufen und fror zugleich. Wie sollte sie es nur anstellen, die arme Mim mitzunehmen? Sie konnte sie doch unmöglich allein hier zurücklassen! Während Isabelle noch immer wie angewurzelt dastand und überlegte, drang plötzlich ein Maunzen an ihre Ohren.
»Du meine Güte, das Kätzchen!« Darragh hatte doch nicht gelogen! Erleichtert stürzte Isabelle zu der dicken Mim und streichelte sie behutsam. »Braves Mädchen«, murmelte sie zärtlich. Obwohl die Augen des kleinen Kätzchens noch fest verschlossen waren, tastete es sich zielstrebig zu den Zitzen seiner Mutter vor. Isabelle konnte den Blick nicht von den beiden lassen.
Darragh stand eine ganze Weile nur ruhig neben ihr und lächelte. Dann hob er ganz behutsam die Hand und rieb Mim mit dem Zeigefinger über die Nase.
Plötzliche Zuneigung zu dem Alten erfasste Isabelle angesichts dieser liebevollen Geste. Er war ein wenig absonderlich, in der Tat, doch musste man das nicht werden, so allein in dieser muffigen Hütte? Die Nähe der zwei Katzen, ihr wohliges Schnurren und die wunderbare Wärme ihres Fells würde er schon bald nicht mehr missen wollen. Die beiden waren gewiss gut bei ihm aufgehoben. Niemals, da war sich Isabelle mit einem Mal ganz sicher, niemals würde er ihr oder den Katzen etwas zuleide tun.
»Ist kräftig, das Junge. Wird mal groß und stark werden«, sagte er zufrieden. »Ein großer Mäusejäger!« Er strahlte Isabelle an und legte ihr freundschaftlich die Hand auf die Schulter.
Plötzlich flog krachend die Tür auf.
»Nimm deine dreckigen Pfoten von ihr!«, brüllte jemand.
Isabelle fuhr herum.
Drei bewaffnete Männer, die zur Burgwache gehörten, und eine dralle Magd drängten in die Hütte. Sporen schabten über den Boden.
Der Steward trat mit gezücktem Schwert auf Darragh zu. »Rühr sie nicht an!« Er drohte mit seiner Waffe.
»So ein Schwein! Sie ist noch ein Kind«, kreischte die Magd.
Isabelle begriff nicht, was sie meinte, und sah sie mit aufgerissenen Augen an. Sie half zuweilen als Wäscherin auf der Burg aus und tändelte mit den Soldaten, wann immer sie Gelegenheit dazu bekam. Darum mochte Isabelle sie nicht.
»Er kann dir nichts mehr antun, Kleines.« Die dralle Magd packte sie und zog sie an sich.
Darragh sah Isabelle mit hilflosem Entsetzen an, schüttelte den Kopf und stammelte etwas, das seine Angst zu einem unverständlichen Gemurmel verzerrte. Er zitterte am ganzen Leib und presste sich schutzsuchend gegen die Wand seiner Hütte, doch es nützte ihm nichts.
»Er hat mir …«, stammelte Isabelle. Geholfen, wollte sie sagen, doch sie kam nicht dazu, ihren Satz zu beenden.
»Ich habe Euch doch gesagt, dass er sie hergelockt hat! Gewiss wollte er das Mädchen schänden, vielleicht gar töten«, kreischte die Magd und zupfte am Ärmel des Stewards. »Ihr müsst ihn bestrafen«, forderte sie. »Einer wie der verdient keine Gnade!«
Die Soldaten zogen den Kreis um Darragh enger. Einer der Männer trat dicht an ihn heran und spuckte ihm
Weitere Kostenlose Bücher