Der goldene Thron
die Hände an einem Leintuch ab und hievte den eisernen Grapen ins Feuer. Jedes seiner drei Beine musste festen Stand haben, damit der Topf nicht wackelte. Als das schwere Eisen heiß genug war, briet Isabelle Speck und Zwiebeln in dem ausgelassenen Gänsefett an, das sie ebenfalls aus der Burgküche mitgebracht hatte. Ein herzhafter Duft begann die Hütte zu erfüllen. Brigid war eine gute Köchin und überaus erfindungsreich. Sie wusste, wie man aus wenigen einfachen Zutaten eine schmackhafte Grütze oder Suppe zubereiten konnte. Doch wenn die Vorratskammer so gähnend leer war wie in letzter Zeit, dann fiel es auch ihr schwer, die Familie satt zu kriegen.
Isabelle hatte ihr häufig beim Kochen zugesehen und manchmal auch ein wenig helfen dürfen. Es machte ihr Freude, nun selbst etwas Wohlschmeckendes zuzubereiten und Brigid so ein wenig zu entlasten. Schon bald würde Orin von seinem Tagwerk heimkehren und eine heiße, nahrhafte Speise fordern. Wenn ernicht umgehend bekam, was er verlangte, wurde er furchtbar wütend und verlor die Beherrschung.
Ein deftiges Essen aber war gewiss ein geeignetes Mittel, um Brigid vor ihm zu schützen. Gleich zwei Kinder hatte die Ärmste im vergangenen Jahr tot zur Welt gebracht und war schon bald darauf erneut guter Hoffnung gewesen. Drei Zähne waren ihr in kürzester Zeit ausgefallen, und sowohl ihrem stumpfen Haar als auch ihrer fahlen, faltigen Haut war anzusehen, wie ausgelaugt sie war. Kein Wunder, wenn man bedachte, dass sie trotz ihres Zustandes immer wieder zugunsten ihrer Kinder auf Nahrung verzichtete, sobald das Essen knapp wurde. Ihre Portion teilte sie oft nicht nur einmal, sondern auch ein zweites und ein drittes Mal, obwohl für sie selbst dann kaum noch etwas übrig blieb. Je öfter Orin sein sauer verdientes Geld nicht nach Hause, sondern in eine der gut besuchten Schenken von Kilkenny trug, desto häufiger steckte sie zurück. Auch das, was Isabelle ihr regelmäßig brachte, gab sie ihren Kindern. Lange würde sie das nicht mehr durchhalten.
Der würzige Duft von Zwiebel, Schmalz und Speck vermischte sich mit dem kräftigen Dunst des Kohls und dem lieblichen Geruch des Kümmels, die sie zusammen mit etwas Wasser in den Topf gegeben hatte. Eine ordentliche Prise Salz noch, dann kostete Isabelle die dampfende Suppe vorsichtig. Mehr Salz, entschied sie. So schmeckte man den Speck besser heraus, und auch das Aroma des Gänseschmalzes würde stärker zur Geltung kommen. Isabelle streifte noch einmal ihre Ärmel zurück, die inzwischen heruntergerutscht waren, und fügte eine grob gewürfelte Pastinake sowie etwas großblättrige Petersilie zur Suppe und rührte um. Nun musste das Ganze noch köcheln, bis der Kohl gar war.
Brigid wollte sich erheben, als Isabelle nach dem Reisigbesen griff. »Aber du kannst doch nicht auch noch fegen«, protestierte sie. »Wenn deine Mutter das wüsste …«
»Ich vermute, sie ahnt, dass ich dir ab und an helfe«, winkte Isabelle gelassen ab. »Doch sie sagt nichts dazu, und auch ichschweige. Würde ich es ihr beichten, müsste sie es verbieten. ›Eine Prinzessin kocht und putzt nicht‹, müsste sie sagen. Doch sie weiß, wie viel du mir bedeutest, und lässt mich darum tun, was ich für richtig halte.« Isabelle lächelte weich. Aoife war eine ganz besondere Frau und Mutter. Entschlossen, sowohl ihre eigenen Rechte als auch die ihrer Tochter zu verteidigen, stolz und aufrecht, rechtschaffen und manchmal ein wenig still, einsam wohl auch, so ganz ohne Gatten.
Isabelle besprengte den Boden mit etwas Wasser, damit es nicht so staubte und sich der Lehm wieder ordentlich festtrat, fegte und stellte den Besen dann zurück in die Ecke. Sie sah sich gerade um, ob es noch etwas zu tun gab, als die Tür aufflog und Orin torkelnd auf der Schwelle stand. Statt einer Begrüßung rülpste er laut und klopfte sich mit der Faust auf die Brust, bis er ein weiteres Mal aufstoßen konnte. Sein Atem roch nach abgestandenem Bier. Aus glasigen Augen glotzte er an Isabelle herab.
»Hat dich der Duft unserer Suppe ins Haus gelockt?«, fuhr er sie an. »Als hättet ihr auf der Burg nicht genügend zu essen!« Er trat ein und warf seinen schmutzigen Umhang achtlos in eine Ecke.
Isabelle hob abwehrend die Hand, als Brigid aufspringen wollte, und schenkte Orin einen vorwurfsvollen Blick.
Der jedoch tat, als bemerkte er es nicht, und setzte sich polternd an den Tisch.
Die jüngeren Kinder, die zuvor ruhig in einer Ecke gesessen und selbstvergessen
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