Der goldene Thron
kann nicht mehr ewig dauern, bis ich größer bin als er«, brach es aus ihm hervor. »Eines Tages sorge ich dafür, dass er sie nicht mehr anrührt, glaub mir!« Conall knetete seine Haube mit beiden Händen.
»Ja, das wirst du.« Isabelle ging auf ihn zu, legte die Hand auf seinen Arm und hauchte ihm einen Schmetterlingskuss auf die Wange.
Conall errötete, runzelte die Stirn und schabte mit dem Fuß über den Boden. Früher hatte er Isabelles Küsse stets angewidert fortgewischt. Diesmal jedoch hob er die Hand nicht. Der Kuss war noch immer auf seiner Wange zu spüren, wie ein kleiner Falter saß er da und schwang die Flügel. Hitze füllte Conalls Leib und brachte ihn zum Schwitzen. Verwirrt sah er zu Boden. Er wusste, dass Isabelles Kuss ihn nicht ärgern, sondern trösten sollte, und erstaunlicherweise gelang ihm das sogar.
Isabelle verstand seinen hilflosen Zorn, denn sie liebte Brigid ebenso wie er. Conall spürte, wie sich sein Magen verkrampfte. Isabelles vertrauter Duft umgab ihn noch immer, besänftigte und beunruhigte ihn zugleich. »Gehen wir später fischen?«, fragte er, um sich abzulenken.
»Hm.« Isabelle schien nicht sicher zu sein, ob sie Lust dazu hatte. Sie legte den Kopf schräg und strich sich eine rotblonde Strähne hinter das Ohr.
Wenn sie erst verheiratet ist, wird ein Schleier ihr weiches Haar verbergen, dachte Conall wehmütig. Als die Nachricht Kilkenny erreicht hatte, dass der jüngste Sohn des Königs nach Irland gekommen war, hatte er schon gefürchtet, dieser könne sie freien. Immerhin war Isabelle eine Prinzessin! Glücklicherweise aber hatte Prinz John mit seiner Mission in Irland eine Niederlage erlitten und war nach wenigen Monaten unverrichteter Dinge nach England zurückgekehrt. Es hieß, er habe die irischenFührer beleidigt und so sehr gegen sich aufgebracht, dass sie sich gegen ihn verbündet hatten. Conall schüttelte den Kopf. Nein, einem solchen Mann durfte Isabelle niemals gehören! Überhaupt sollte sie besser keinen Normannen heiraten. Eine irische Prinzessin hatte etwas Besseres verdient. Der Gedanke, dass Isabelle eines Tages die Frau eines fremden Ritters werden würde, hinterließ ein ungewohntes, wundes Gefühl in Conalls Brust. Niedergeschlagen beobachtete er, wie sie mit dem Zeigefinger einen Scheitel auf ihrem Hinterkopf zog und ihr Haar teilte. Die Art, wie sie erst die eine Seite flocht, dann geschickt ein buntes Band um das Ende wand und sich schließlich der anderen Seite annahm, war ihm so vertraut, dass er lächeln musste. Er mochte es, wenn sie Zöpfe trug.
»Ich würde lieber ausreiten!«, sagte Isabelle, als sie fertig war, und strahlte über das ganze Gesicht.
»Aber …?« Vor einigen Wochen war sie vom Pferd gestürzt und hatte sich verletzt. Seitdem waren sie nicht mehr ausgeritten, denn ihr Arm hatte erst verheilen müssen. Konnte er wirklich schon wieder gut sein? Isabelle hatte sich nie über Schmerzen beschwert, trotzdem war Conall aufgefallen, dass sie auch jetzt noch hin und wieder das Gesicht verzog, wenn sie die Hand mit aller Kraft zusammenpressen musste.
»Der Stallmeister hat dich erst kürzlich wieder über die Maßen gelobt, und sogar der Steward hat meiner Mutter bestätigt, wie geschickt du im Umgang mit den Pferden bist!«, fuhr Isabelle fort. »Sie weiß, wie gut du reitest, und meint, ich bräuchte mehr Übung, damit ich nicht wieder stürze. Darum soll ich von jetzt an regelmäßig mit dir ausreiten. Ich kann es kaum erwarten!«, gestand sie. Ihre Augen glitzerten. »Aber wir sollten langsam anfangen, denn du hast die Verantwortung für mich.« Sie lächelte weich.
Pferde waren Conalls große Leidenschaft. Dass er dem Stallmeister von klein auf kaum von der Seite gewichen war, hatte sich als großes Glück erwiesen, denn dieser hatte schnell bemerkt, wie behände Conall im Umgang mit den Tieren war. Darumhatte er die Herrin um Erlaubnis gebeten, ihn anzulernen. Da er selbst keinen Sohn, sondern nur drei Töchter besaß, von denen eine kaum älter, die beiden anderen etwas jünger als Conall waren, hoffte er wohl, sich einen künftigen Schwiegersohn heranzuziehen und so später zumindest für eine seiner Töchter einen guten Mann zu haben. Conall rieb sich über die juckende Nase. Er konnte mit Mädchen nicht allzu viel anfangen. Er fand sie zu geziert, albern, dumm und eitel, manche auch gar zu aufdringlich. So wie Dairenn, die Tochter des Bogenmachers. Sie wartete fast täglich am Wegesrand, wenn er von der Burg kam
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