Der goldene Thron
Gewebe seines alten Gewandes. Ein winziges Lächeln huschte über sein Gesicht. Als er sich seiner Kleider entledigt hatte, war aus den Falten noch ein wenig Wüstensand gerieselt. Ob sich die Erinnerungen an Entbehrungen, Leid und mühevolle Qualen ebenso leicht abstreifen lassen würden wie die alten Kleider?
Guillaume kämmte sich das Haar, das er zuvor über einem Eimer notdürftig gewaschen hatte, schüttelte den Kopf, dass es nur so klatschte, und fuhr sich mit der Hand über das Kinn. Drei oder vier Tage war es her, dass er sich den Bart geschabt hatte. So konnte er unmöglich an der Tafel des Königs speisen. Er holte sein Messer hervor und begann, es zu schärfen.
»Guillaume?«, hörte er eine Stimme hinter der Tür, dann klopfte es.
Erstaunt, dass ihn jemand zu sprechen wünschte, öffnete er.
Baudouin breitete die Arme aus und drückte ihn herzlich an sich. »Bist du in einem Stück?« Er ließ ihn los und sah fragend an ihm herab.
»Wie du siehst, mein Freund!« Guillaume strahlte ihn an. »Du ahnst nicht, wie glücklich ich bin, dich zu sehen!« Er trat einen Schritt zur Seite. »Komm rasch herein. Die Kammer wird nicht lange mein sein.«
Baudouin trat ein und sah sich neugierig um.
»Nicht schlecht, nicht wahr? Klein, aber wohnlich.« Hinter dem Bett, unter dem geöffneten Fenster, durch das die Geräusche des geschäftigen Burghofs und die sanften Strahlen der Abendsonne hereindrangen, stand eine Eichentruhe, aus der Leinenhemden, Cotten und ein weiterer Surcot herausquollen. »Und wie du siehst, fehlt mir ein Page!« Guillaume stopfte die Gewänder in die Truhe und schlug den Deckel zu.
»Verständlich, dass schon des Königs Großvater Lyons schätzte«, murmelte Baudouin. »Jeder Raum hat etwas Behagliches, und die Wälder sind voller Wild.« Dann musterte er Guillaume neugierig. »Ich war so erleichtert, als ich hörte, dass du eingetroffenbist! Du scheinst wohlauf zu sein, doch …« Er zog die Brauen zusammen und zeigte auf Guillaumes Gesicht. »Was ist das da?«
»Nichts, jedenfalls kein Andenken von einem Kampf mit Sarazenen, wie du vielleicht hoffen magst. Ein ganz gewöhnlicher Kratzer nur, den ich mir auf der Reise zugezogen habe.«
»Steht dir hervorragend, muss ich gestehen. Gibt dir etwas … Verwegenes!« Baudouin seufzte vernehmlich. »Ich werde künftig wohl mächtig Konkurrenz bei den Damen bei Hof haben!« Sein schelmisches Grinsen unterstrich er mit einem verschwörerischen Augenzwinkern.
»Ach, woher!« Guillaume lächelte. Wie gut es doch tat, den Freund wieder um sich zu haben! Baudouin hatte ihm mehr gefehlt als alle anderen. »Mit einem so schmucken, jungen Herzensbrecher wie dir kann ein alter, gebrechlicher Mann wie ich nicht wetteifern«, behauptete er mit zittriger Stimme, griff sich ins Kreuz, als wäre er lahm, und lachte dann herzlich. Mit beinahe vierzig Jahren war er gewiss kein junger Mann mehr, doch alt fühlte er sich noch nicht. Er war gesund, und noch steckte die Kraft eines gut trainierten Burschen in ihm, auch wenn er an den Schläfen schon vor Monaten das erste graue Haar entdeckt und es umgehend entfernt hatte.
»Erst lehrt er die Ungläubigen das Fürchten, und dann verspottet er die Daheimgebliebenen!« Baudouin tat entrüstet.
»Du kennst mich, mein Freund. Ich werde dir bei deinen Eroberungen nicht im Weg stehen, mein Ehrenwort!« Guillaume legte die Hand aufs Herz und verbeugte sich ein wenig spöttisch.
»Du musst mich verstehen, mein Lieber, ich will mein Leben als Junggeselle genießen, solange ich kann. Wer weiß, welche Art Weib einmal der Lohn für meine Treue sein wird? Am Ende bekomme ich gar eine Braut wie der arme Guillaume de Mandeville.« Baudouin kam ein wenig näher und flüsterte: »Es heißt, Hawise de Aumale habe alles, was einen Mann ausmache, bis auf …« Er sah an sich hinunter. Sein Blick lag bedeutungsschwer auf seiner Männlichkeit. »Du verstehst?«
»Aber Baudouin! Eine Ehe soll reich machen oder zumindest sorglos, doch nicht zwangsläufig glücklich! Mandeville ist durch diese Verbindung immerhin Graf von Aumale geworden, das sollte wohl reichen, um ihn zu entschädigen.« Guillaume wurde plötzlich nachdenklich. »Wer weiß, vielleicht mag er sie ja gar. Starke Frauen können sehr begehrenswert sein.«
»Wie Ellenweore, meinst du wohl?« Baudouin griente bis über beide Ohren.
»Hast du von ihr gehört?« Guillaume trat einen Schritt auf den Freund zu. »Sag, geht es ihr gut? Und mein Sohn, was macht er? Hast
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