Der goldene Thron
sich zu zweifeln.
Manchmal wachte sie vor ihm auf und beobachtete ihn im Schlaf, oder sie lag abends noch wach, wenn er zu Bett ging, und hörte auf seinen ruhigen Atem, der nur hin und wieder von einem kaum wahrnehmbaren Murmeln unterbrochen wurde, das sie eines Morgens ganz deutlich verstand.
Er träumte von einer anderen Frau! Darum rührte er sie nicht an! Er hatte im Schlaf ihren Namen gemurmelt. Ein Schmerz, wie sie ihn noch nie zuvor gekannt hatte, erfüllte Isabelles Brust. In den vergangenen Jahren hatten ihr genügend Ritter, alte wie junge, den Hof gemacht. Nur ihr Gatte dachte nicht daran! Er erdreistete sich gar, von einer anderen Frau zu träumen! Von einer Magd womöglich, einer Wäscherin vielleicht, dachte Isabelle herablassend. Oder war es eine edle Dame, der er sein Herz für immer geschenkt hatte?
»Bitte, Suzanne, du musst mir helfen herauszufinden, wer diese Ellen ist!«, bettelte sie ihre Zofe am nächsten Morgen an.
»Warum hört Ihr nicht auf, darüber nachzudenken, Liebes? Wer weiß schon, was es zu bedeuten hat?«, versuchte Suzanne, sie zu beschwichtigen. »Wie soll ich herausfinden, wer diese Frau ist? Soll ich vielleicht zu ihm gehen und ihn fragen? Vom Gesinde kann es niemand wissen, denn er war noch nie zuvor hier. Und warum ist es auch so wichtig, was er in seinem bisherigen Leben getrieben hat und mit wem? Vergesst es einfach!«
Der zunächst gehegte Widerwillen gegen den Gatten, den man Isabelle aufgezwungen hatte, war mit einem Mal so gut wie vergessen. Plötzlich wollten ihr seine blauen Augen ebenso wenig aus dem Sinn gehen wie seine dunkle, weiche Stimme. Sein entschlossener Schritt und seine Gegenwart entlockten ihr rasendes Herzklopfen, und wenn er ihr zufällig näher kam oder sie gar berührte, schwirrte es in ihrem Magen.
»Ständig ist er mit diesem Jean d’Erlée beschäftigt! Er behandelt ihn wie einen Sohn. Will er denn keine eigenen Kinder haben?«, wetterte Isabelle, als sie Conall auf dem Hof begegnete, und sah immer wieder zu den beiden hin. Stolz lag im Blick ihres Gatten, wenn er Jean ansah. Sie jedoch schien er kaum wahrzunehmen. Flüchtig nur glitt sein Blick an ihr vorbei. Hielt nicht etwa inne, weil ihm gefiel, was er sah, sondern huschte gleichgültig vorüber.
»Du hast ihn nicht haben wollen, und nun klingst du, als verzehrtest du dich nach ihm!«, knurrte Conall. »Du müsstest doch froh sein, dass er dich noch immer in Ruhe lässt.« Er wandte sich ab und schickte sich ohne ein weiteres Wort an, seiner Arbeit im Stall nachzugehen.
»Ich will ausreiten, ich langweile mich zu Tode!«, fuhr Isabelle ihn an. »Sattle mein Pferd!«
»Wie Mylady befehlen!«, antwortete Conall steif. Gewiss war er gekränkt, weil sie ihm befohlen hatte, das Pferd zu satteln, statt ihn zu bitten, wie sie es für gewöhnlich tat.
Einen Augenblick lang wollte Isabelle wütend werden. Für wen hielt Conall sich? Er war weder ihr Bruder noch ihr Liebhaber, sondern nur ein Knecht! Dann schossen ihr Tränen in die Augen. Conall bedeutete ihr mehr als ein Bruder. Er war Halt und Erinnerung, Heimat und Vertrauen. »Entschuldige, Conall«, sagte sie mit belegter Stimme und schluckte. »Bitte!« Sie legte die Hand auf seinen Arm und hielt ihn fest. »Es tut mir leid. Ich wollte meinen Ärger nicht an dir auslassen.«
* * *
Guillaume hatte seine Braut in den letzten Tagen häufig aus der Ferne beobachtet und war erstaunt, wie schnell ihr jedermann zu Füßen gelegen hatte. Isabelle war weder eingebildet noch hoffärtig, wie er es von einer Prinzessin erwartet hatte, im Gegenteil. Ihre reizende, zurückhaltende Art hatte ihr im Nu die Herzen geöffnet. Nicht nur die Mägde und Knechte, auch die Kinder in Stoke liebten sie. Ständig drängten sich zwei oder drei von ihnen an sie und bettelten, sie möge ihnen eine Geschichte erzählen. Mit offenen Mündern saßen sie dann da, lauschten still und gebannt ihren Erzählungen, die stets eine unerwartete Wendung nahmen und die Kinder zum Staunen brachten. Wenn sie so dasaß und erzählte, waren Isabelles Züge weich und entspannt und ihre Wangen rosig. Begegnete sie jedoch Guillaumes Blick, schlug sie die Augen nieder oder drehte den Kopf fort.
»Ich würde gern ausreiten, aber Conall, der mich für gewöhnlich begleitet, ist krank«, sprach Isabelle ihn eines Morgens an, als er in Jeans Begleitung in die Halle kam. »Würdet Ihr vielleicht … so freundlich sein …?«, stammelte sie, als er sie fragend ansah.
Wie immer hatte
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