Der goldene Thron
Pferdes geboren und aufgewachsen! Guillaumes Herz stampfte. Er trieb Pegasus an und führte die halsbrecherische Verfolgungsjagd fort. Immer wieder holte er auf, fiel in engen Schneisen jedoch wieder zurück, um Isabelle nicht zu gefährden.
»Seid Ihr nicht hungrig, Mylord?«, fragte sie irgendwann außer Atem, zügelte ihr Pferd und ließ sich mühelos von seinem Rückengleiten. Sie sah sich kurz um und zeigte auf eine kleine Lichtung. Zwei Baumstämme lagen dort.
»Wir könnten uns ein wenig setzen und verschnaufen. Ich habe Proviant einpacken lassen.« Sie spähte zum Himmel hinauf. »Ist gewiss bald Mittag«, sagte sie und lächelte ihn mit einem gekünstelt wirkenden Augenaufschlag an.
Also doch ein Verführungsversuch, dachte Guillaume ernüchtert. Wild und ausgelassen reitend, hatte sie ihm besser gefallen als kühl und berechnend.
»Hungrig bin ich nicht, aber wenn Ihr Euch setzen wollt …«, gab er betont einsilbig zurück und begleitete sie zu einem der Baumstämme, damit sie Platz darauf nahm. Er setzte sich in angemessenem Abstand neben sie und räusperte sich nervös. Wie zu Beginn ihres Ausrittes wusste er nicht, worüber er mit ihr sprechen sollte. »Ich will mir demnächst die Burg und die Ländereien ansehen, die zu Striguil gehören«, erklärte er schließlich und nahm sich nun doch ein Stück von dem gebratenen Huhn, das Isabelle ihm entgegenstreckte. »Wart Ihr schon einmal in Wales?«, erkundigte er sich und nagte das Hühnerbein in Windeseile ab.
Isabelle schüttelte den Kopf. »Ich bin Irin und in Irland aufgewachsen!«, antwortete sie heftig. »Hätte mich der König nicht fortbringen lassen, so wäre ich noch immer dort, denn ich liebe mein Land! Ich habe weder Erinnerungen an meinen Vater, noch bedeuten mir seine Güter etwas!«
»Nun, sie geben Euch immerhin genügend Einkünfte, um ein sorgloses Leben führen zu können!«, erwiderte Guillaume ein wenig vorwurfsvoll. Schließlich schien die junge Dame gute Pferde, Dienstboten und schöne Kleider durchaus zu schätzen.
»Pah!«, rief sie aus und sah ihn herausfordernd an. »Das Königreich Leinster ist mehr wert als alles, was mein Vater je besessen hat. Erst die Mitgift meiner Mutter hat ihn zu einem großen Baron gemacht.« Sie warf Guillaume einen kalten Blick zu. »Die Normannen nehmen sich schon seit Generationen mit Gewalt, was ihnen gefällt, wir Iren aber lassen uns nicht unterjochen, darum hassen wir sie auch so sehr!«
Soso, die Katze hat die Krallen ausgefahren, dachte Guillaume und konnte nicht umhin, ein wenig zu lächeln. »Ach ja?« Er tat, als verstünde er nicht. »Ihr müsst verzeihen, Mylady, ich bin Engländer«, erklärte er und sah sie mit Unschuldsmiene an.
»Ach was, Ihr seid Normanne!«, rief Isabelle empört aus. »Ihr wurdet in Tancarville ausgebildet, wenn ich nicht irre.«
»Das ist richtig«, antwortete Guillaume. »Mein Vater war in der Tat aus normannischem Adel, ebenso wie der Eure, doch wenn mich das allein schon zum Normannen macht, so seid Ihr ebenfalls Normannin. Ihr wurdet in Irland geboren, ich in England. Auf Marlborough Castle, um genauer zu sein. Meine Amme war Engländerin, und die Sprache meiner Kindheit war Englisch. Mein Herz schlägt für England – auch wenn Ihr mir zugegebenermaßen einige großartige Ländereien in der Normandie mit in die Ehe gebracht habt, was mein Interesse an diesem Teil des Reiches erheblich steigert.« Schalk blitzte in seinen Augen.
»Mit in die Ehe gebracht!«, empörte sich Isabelle und sprang auf. »Glaubt mir, freiwillig hätte ich Euch niemals geheiratet! Eure normannischen Gesetze haben mich dazu gezwungen. Sie allein sind es, die Euch diese Ländereien eingebracht haben. Nach irischem Gesetz hättet Ihr mich um mein Einverständnis bitten müssen und wärt niemals Herr über meine Ländereien geworden, denn ich hätte Euch jeden irischen Greis vorgezogen, und sei er noch so gebrechlich!« Sie funkelte ihn wütend an.
»Vielleicht hättet Ihr auch lieber Euren hübschen Stallburschen genommen«, forderte Guillaume sie heraus und stand ebenfalls auf. Wenn sie ihn als Normannen beschimpfen konnte, warum sollte er sie dann nicht einer Tändelei mit einem Bediensteten bezichtigen?
»Er ist mein Stall meister!«, berichtigte Isabelle ihn herablassend. »Und ich bin eine Prinzessin! Ich hätte einen König wählen können, einen irischen König!«
Plötzlich brach Guillaume in schallendes Gelächter aus.
»Warum in aller Welt lacht Ihr?«, regte
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