Der goldene Thron
dortige Ländereien in Besitz nahm. Isabelle rieb sich über die Nase. Es schmerzte, an Conall zu denken. Er fehlte ihr. Ob er inzwischen auch verheiratet war und Kinder hatte?
Es dämmerte bereits, als Marguerite mit vor Aufregung geröteten Wangen in die Kammer zurückkehrte.
»Der Maréchal hat mich zwei Falknern vorgestellt. Sie heißen William und Robert und waren sehr freundlich«, plapperte sie drauflos. »William war besonders entgegenkommend. Er hat mir erlaubt, einen der Falken auf die Faust zu nehmen und ihn zu füttern. ›Atzen‹ nennt man das. Ich habe einen Handschuh von ihm bekommen, weil Falken so scharfe Krallen haben!«, berichtete sie atemlos. »Sie haben auch ganz spitze Schnäbel, aber ich habe keine Angst. Wirklich! Ich finde sie wunderbar! Wenn ich groß bin, werde ich auch Falken haben, so wie mein Vater einst. William hat gesagt, auch Damen dürfen beizen gehen. So nennt man es, wenn sie jagen«, erklärte sie. »Ich wäre so gern morgen wieder zu ihnen gegangen, doch ihr Herr zieht weiter zu seinem Gut. Ach, Mylady! So einen schönen Tag hatte ich lange nicht. Ich habe so viel gelernt!«, schwärmte sie. »Hoffentlich begegneich William bald wieder. Ich bin sicher, er würde mich abermals helfen lassen!«
Isabelle lächelte sie an und strich ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Guillaume war inzwischen bei ihr gewesen und hatte ihr von den neuesten Ereignissen berichtet.
»Der König hat seinem Bruder, deinem Vormund, vergeben«, erklärte sie Marguerite, ohne darauf einzugehen, welche Verfehlungen man dem Prinzen vorwarf. »Darum muss er nun für ihn Krieg führen. Das aber ist gefährlich, deshalb kannst du nicht mit ihm gehen. Wie wäre es, wenn du ein Weilchen mit uns kommst, bis Prinz John entschieden hat, wohin er dich schicken will? Ich werde mich mit den Kindern auf einem unserer Güter in der Normandie niederlassen. Du könntest dort mit ihnen spielen und Unterricht von einem Priester bekommen.«
»Wird Onkel John mich besuchen können?«
»Gewiss doch, mein Herz!« Isabelle lächelte.
»Und habt Ihr dort auch Falken?«, wollte Marguerite nun wissen.
»Ich glaube, nicht.« Isabelle lachte unsicher.
»Hm«, machte Marguerite und zuckte mit den Schultern.
Isabelle sah hilfesuchend zu Suzanne.
»Bestimmt gibt es dort viele andere Tiere. Hunde und Katzen«, sprang die Zofe ihr bei.
»Ach ja, eine Katze, wie gern hätte ich wieder eine Katze!«, schwärmte Isabelle. »Magst du Katzen, Marguerite?«
»Hm«, brummte das Mädchen und zuckte wieder mit den Schultern. »Weiß nicht. Ich glaube, ich mag Hunde lieber.«
Isabelle lächelte, obwohl ihr nicht wirklich danach zumute war, denn nicht nur Prinz John musste fort, um Evreux für den König zu erobern. Auch Guillaume würde Lisieux bereits am nächsten Tag verlassen, um mit Richard nach Verneuil zu ziehen, das Philippe belagert hatte, während sie in Portsmouth festgesessen und auf besseres Wetter gewartet hatten.
Winter 1194/1195
N ach Verneuil war Guillaume seinem König noch in viele weitere Kämpfe gefolgt. In Rouen, Tours, Loches, Angoulême und Vaudreuil hatten sie sich wacker geschlagen. Der Franzose hatte an Boden verloren und Richard die Herrschaft in der Touraine, die Philippe während seiner Gefangenschaft an sich gerissen hatte, zurückerlangen und seine Stellung in Aquitanien wieder festigen können.
Im Sommer schließlich war ein Waffenstillstand zwischen beiden Königen verhandelt worden. Doch die Atempause hatte nicht lange gewährt, und im Herbst waren zu allem Übel noch schlimme Missernten hinzugekommen, die das Land schwer gebeutelt und noch vor dem Christfest die ersten Hungersnöte hervorgerufen hatten.
Niedergeschlagen kehrte Guillaume diesmal in jenes Heim zurück, das Isabelle in der Normandie für sie eingerichtet hatte, und auch die Männer, die ihn begleitet hatten, ließen ob der großen Not im Land bekümmert die Köpfe hängen. Ihre Blicke glitten an freudlosen, kahlen Bäumen vorbei, deren Äste in den grauen Himmel ragten, als riefen sie Gott den Herrn verzweifelt um Hilfe an. Unbarmherzig kalt waren die letzten Nächte gewesen, die sie unter freiem Himmel auf gefrorenen Böden hatten verbringen müssen.
Guillaume wackelte mit den Zehen, um sicher zu sein, dass sie ihm im Schlaf nicht abgefroren waren. Von einem seiner Güter zum nächsten waren sie gezogen, hatten Burgen, Höfe und Gestüte aus seinem Besitz besucht. Er hatte sich von den Stewards die Bücher vorlegen lassen und
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