Der goldene Thron
aber nicht weniger, nur anders eben. Vielleicht, weil er älter war und sie so vieljünger, oder einfach, weil er nicht mehr der verträumte Bursche von damals war.
»Vater, seht nur, dahinten, der Mann mit dem Falken!«, rief sein Ältester, stürmte auf ihn zu und zeigte auf William, der noch immer in der Ferne stand.
Guillaume zwang sich, nicht zu lange in seine Richtung zu sehen, und nickte.
»Bekomme ich auch einen, wenn ich groß bin?«
»Das werden wir sehen, mein Junge«, antwortete Guillaume sanft und strich dem kleinen Kerl liebevoll über den Kopf. Wie gern hätte er seine Söhne einander vorgestellt, doch die Furcht, dass Isabelle ihm auf die Schliche kommen könnte, hielt ihn davon ab. Sie würde ganz sicher in seinen Augen erkennen, wie viel ihm William bedeutete, ihn über den jungen Mann ausfragen und, wenn sie alles wusste, nicht mehr glauben können, dass er sie liebte, ganz gleich, wie sehr er es ihr versichern würde. Jeden Tag, an dem er an ihrer Seite erwachen durfte, war ein Segen, und er hoffte, mit ihr leben zu dürfen, bis der Herr ihn zu sich rief.
»Ich werde niemals zulassen, dass dir oder den Kindern ein Leid geschieht«, murmelte er Isabelle ins Ohr.
Sie sah ihn dankbar an und küsste ihn. »Morgen sind wir auf dem Festland!« Sie seufzte leise. »Es ist mir ganz gleich, wo wir leben – in Kilkenny, Striguil oder in der Normandie –, das Wichtigste ist, dass du so oft wie möglich bei uns sein kannst!« Eine Träne schimmerte in ihren Augen.
»Wenn du mir nicht doch wieder guter Hoffnung bist!«, sagte Guillaume, wedelte mit dem Zeigefinger vor ihrem Gesicht herum und stupste ihr damit auf die Nase. Immer, wenn sie ein Kind erwartete, hatte sie so etwas Verletzliches an sich, das den Beschützer in ihm weckte. Erst kurz vor Ende einer Schwangerschaft wurde sie wieder trotziger und kämpferischer.
Als sie am nächsten Morgen im Hafen von Barfleur anlegten, konnte Isabelle es kaum abwarten, von Bord zu kommen.
»Halte dich lieber gut fest, wenn du an Land gehst! Du wirstnoch eine Weile schlingern, der Boden aber bewegt sich nicht«, warnte Guillaume sie vor, doch Isabelle hörte nicht und lief eiligst den Steg hinunter. Plötzlich sackte sie in die Knie.
»Oh, mein Gott, ist mir schlecht!«, wimmerte sie, nachdem Guillaume ihr aufgeholfen hatte, presste die Hand auf den Mund und wandte sich ab.
Obwohl er selbst nicht damit zu kämpfen hatte, wusste Guillaume, dass viele Reisende auch an Land noch eine Weile Übelkeit verspürten.
»Wir werden mit dem König zu der Kirche dort oben ziehen und dem Herrn für die sichere Überfahrt danken«, erklärte er Isabelle, um sie abzulenken, und zeigte auf einen Hügel. Seine Stimme musste er dabei erheben, denn mit einem Mal hatten alle Glocken der Stadt zur Begrüßung des Königs zu läuten begonnen. »Komm, setz dich einen Augenblick auf das Fass hier und ruh dich aus, bis es weitergeht! Ich schicke dir die Kinderfrauen her.«
Isabelle nickte und sah ihn mit Tränen in den Augen an. »Ich bin nicht so hartgesotten, wie ich gedacht habe«, sagte sie unglücklich und schniefte.
»Unsinn, meine Liebste, du bist wunderbar!«, versicherte er ihr. »Hast du nicht gesehen, wie viele Männer die Fische gefüttert haben? Auch Baudouin hasst Seereisen und spuckt jedes Mal fürchterlich.« Er lächelte sie aufmunternd an. »Kinderkriegen ist schwere Arbeit, habe ich gehört, und gefährlich obendrein. Du hast mir in kürzester Zeit zwei Söhne und eine wunderbare Tochter geschenkt, ohne dich jemals zu beklagen. Du bist sogar noch schöner dabei geworden. Wahrlich, du hast nicht den geringsten Grund, dich zu schämen!«
»Ich bin froh, dass du da bist«, sagte Isabelle dankbar. »Was täte ich nur ohne dich?«
Guillaume strich ihr über die Wange und schüttelte schmunzelnd den Kopf. »Ich möchte wetten, dass es wieder ein Mädchen wird.«
* * *
Isabelle hasste es, wenn sie ohne Grund in Tränen ausbrach.
Sie wischte sich energisch über die Wange und zog entschlossen die Nase hoch. Vielleicht hatte Guillaume ja recht, und sie war tatsächlich wieder guter Hoffnung? Andererseits hatte sie sich, außer auf dem Schiff, in den vergangenen Tagen kein einziges Mal übergeben müssen. Sie legte die Hand auf ihren Bauch und horchte in sich hinein. Jede ihrer Schwangerschaften war in den ersten drei, vier Monaten von entsetzlicher Übelkeit begleitet gewesen, die sich nur langsam gebessert hatte. Dennoch war sie mit einem Mal sicher, das
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