Der goldene Thron
sich. »Eurem Bruder schwor ich bereits die Treue für Irland, dessen Herr er noch immer ist.«
Longchamp zog die Augenbrauen hoch und grinste. »Sät Ihr heute für eine spätere Ernte, Maréchal?«
Guillaume beachtete die Anschuldigung Longchamps nicht. »Mylord, ich habe Euch für die Ländereien Eures Reiches stets treue Dienste geleistet und bin ebensolche meinem Herrn in Irland schuldig. Wer auch immer versuchen sollte, die Insel an sichzu reißen, dem müsste ich an Johns Seite entgegentreten.« Guillaume verneigte sich mit rasendem Herzklopfen. Ob der König seine bedingungslose Treue zu schätzen wusste, auch wenn sie nicht ihm selbst galt?
»Ihr tut wohl daran, mir keinen Eid zu schwören, denn das wäre nicht recht«, antwortete der König und umarmte ihn. »Ihr seid ein aufrechter Mann, Maréchal! Ich zähle auf Euch, baue auf Euren Rat und Eure Freundschaft.«
»Mylord, ich werde Euch immer dienen!« Guillaume verneigte sich und bemerkte aus dem Augenwinkel nicht ohne Genugtuung, dass Longchamp kalkweiß vor Wut geworden war.
Portsmouth am 12. Mai 1194
N achdem Richard in Northampton Hof gehalten und sich anschließend in Winchester ein zweites Mal hatte krönen lassen, war er nach Portsmouth gezogen, um sich von dort aus so rasch wie möglich aufs Festland einzuschiffen. Er hatte die Vorbereitungen zur Abreise mit aller Macht vorangetrieben und eine beachtliche Flotte zusammengestellt. Doch das Wetter hatte seine Pläne durchkreuzt und ihn gezwungen zu warten, bis sich die See beruhigt hatte.
Nachdem er Portsmouth die Stadtrechte erteilt und so all diejenigen besänftigt hatte, die sich von dem ungebührlichen Benehmen seiner Soldaten belästigt fühlten, war es nun endlich so weit: Einem Aufbruch stand nichts mehr im Weg.
Gleich im ersten Dämmerlicht hatte sich Guillaume mit seinen Leuten im Hafen eingefunden und war dort de Ferrers und William begegnet. Ein paar Worte nur hatten sie wechseln können, mehr nicht. Guillaume fuhr sich nervös durch die Haare. Ellen ging es gut, und sein Sohn sah prächtig aus. Ein winziges Lächeln spielte um seinen Mundwinkel.
»Guillaume, hörst du nicht?«, unterbrach Isabelle seine Gedanken.
»Bitte?«
»Gibt es wirklich keinen anderen Weg als so ein Ding?« Sie zeigte auf das Schiff, das unter den Schritten der Soldaten, die es mit Proviant, Waffen und Pferden beluden, schwankte und ächzte.
»Da du kein Vogel bist und nicht fliegen kannst, leider nein«, sagte Guillaume und zwang sich zur Heiterkeit, damit sie nichtmerkte, dass ihn etwas anderes beschäftigte. »Als wüsstest du nicht, dass England eine Insel ist, genau wie Irland!« Er schüttelte tadelnd den Kopf, dann küsste er ihr aufmunternd die Nasenspitze. Wie reizend sie doch war, so ängstlich! »Ich verspreche dir, mein Liebling, ich gebe gut auf euch acht. Und wenn wir erst Barfleur erreicht haben, dann lachst du nur noch über deine Ängste.«
»Oh, nein, ganz gewiss nicht! Allein der Gedanke, dass das Meer mit seinen kalten, nassen Fingern nach mir und den Kindern greift …« Isabelle schüttelte sich. »In den ersten Wochen jeder Schwangerschaft ist mir speiübel, und nun bin ich endlich einmal nicht in anderen Umständen und werde mich wieder übergeben müssen!« Sie senkte den Blick.
»Du weinst doch nicht etwa?« Guillaume ergriff ihr Kinn und zog es hoch. Eine Träne rollte über ihre Wange. Liebevoll küsste er sie fort. Sie schmeckte salzig wie das Meer, vor dem sie sich so fürchtete. »Meine kühne Prinzessin!«, murmelte er. »Du darfst nicht weinen, nicht vor den Kindern.« Zum Glück standen die Ammen mit den Kleinen ein wenig abseits.
Isabelle nickte und versuchte sich an einem tapferen Lächeln.
»So ist es besser, mein Liebling!« Wie verletzlich seine kleine Wildkatze doch geworden war, seit sie die Kinder geboren hatte!
Ob Ellen sich mit Williams Geburt ebenfalls verändert hatte? Guillaume dachte über Limoges nach und darüber, wie wenig er doch über ihren weiteren Lebensweg wusste. Darüber, was sie durchgemacht hatte, nachdem sie aus der Normandie fortgegangen war, und wie sie wohl zurechtgekommen war, allein mit dem Jungen. Nur ein einziges Mal hatte er Ellen weinen sehen. Damals im Wald, nach ihrem ersten Liebesakt.
Er wandte sich beschämt ab. Es war nicht richtig, an Ellen zu denken und dabei Isabelle in die Augen zu sehen! Warum nur kann ich sie nicht endlich vergessen?, ärgerte er sich. Er liebte Isabelle. Ganz sicher. Er liebte sie anders als Ellen,
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