Der goldene Thron
einen erst halb geleerten Weinkrug in die Ecke des Saales. »Wofür hält er mich? Für einfältig? Oder glaubt er gar, ich fürchte ihn?« Er stieß einen seiner Pagen in die Richtung, in die er den Krug geworfen hatte. »Wisch den Wein vom Boden!«, fuhr er ihn an.
John hatte dem Treffen mit dem Franzosen zugestimmt, um einen vorläufigen Frieden zu verhandeln und dadurch Zeit zu gewinnen, doch Philippes Forderungen waren geradezu unverschämt und darum unannehmbar gewesen.
»Anjou, Maine und die Touraine Arthur überlassen!«, riefJohn empört aus. »Und ihm selbst die Gebiete entlang der Seine! Warum sollte ich das tun?« John sah Guillaume, de Braose und seine anderen Berater fragend an. »Ich weiß, ich habe ihm den Treueeid nicht geleistet, nachdem ich zum Herzog der Normandie gegürtet wurde; das hat er mir zu Recht vorgeworfen. Doch ist dies nicht der wahre Grund für seinen Zorn. Der Treueschwur ist nur ein Vorwand, andernfalls hätte er mein Angebot angenommen, ihm auf der Stelle die Treue zu schwören!« John schüttelte energisch den Kopf. »Nein, Philippe will mich erniedrigen, er will mein Reich spalten und mich schwächen!«
Guillaume nickte bestätigend. Die französischen Könige hatten schon immer ein untrügliches Gefühl für Gelegenheiten bewiesen, einen Keil zwischen die Plantagenêts zu treiben, und nicht einer von ihren hatte sich ihren Intrigen gewachsen gezeigt. Erst der junge Henry, dann Geoffrey, John und sogar Richard. Sie alle hatten geglaubt, die französischen Könige benutzen zu können, und waren enttäuscht und betrogen worden. Diesmal war es Arthur, der jüngste Spross der Familie, der zum Spielball wurde.
»Wir werden den Franzosen zerquetschen wie eine Wanze«, rief Odon of Elmswick, der sich noch immer so häufig wie möglich in Johns Nähe aufhielt.
De Braose und einige andere Barone brummten zustimmend. Doch der Franzosenkönig war nicht so einfach zu besiegen. Und schon gar nicht durch leere Worte, denen keine Taten folgten.
»Warum sagt Ihr nichts, Maréchal?«, fragte John unwillig.
»Philippe wird alles tun, um Euch zu schaden, Mylord. Wir sollten ihn nicht unterschätzen.« Guillaume hatte wir gesagt, doch gemeint hatte er: Ihr solltet ihn nicht unterschätzen. Der Kampf zwischen den Königen von England und Frankreich wurde seit Jahrzehnten ausgefochten. Wie sollte ausgerechnet John, der am wenigsten erfahrene Sohn Henrys II., diesem Krieg ein Ende bereiten, wenn es weder seinem Vater noch Richard geglückt war, einen dauerhaften Frieden zu erzielen?
»Hätte ich seinen Bedingungen etwa zustimmen sollen?«, entrüstete sich John.
»Nein, Mylord, gewiss nicht!« Richard hatte seinem Bruder eine starke, gut ausgebildete Armee und verlässliche Bündnisse hinterlassen. Wenn John sie pflegte und klug einzusetzen wusste, sollte es ihm zumindest gelingen, seine Position zu festigen. »Ihr solltet Eure Verbündeten zu Euch bitten. Mit ihrer Hilfe …«
John unterbrach ihn und winkte ungeduldig ab. »Gewiss werde ich das tun, Maréchal, das versteht sich von selbst.« Er wandte sich an den Pagen, der zuvor den Boden aufgewischt hatte. »Hol mir neuen Wein«, forderte er, »ich bin durstig.« Dann wandte er sich wieder an Guillaume. »Verzeiht meine Schroffheit, Maréchal. Ihr habt recht. Lasst unsere Verbündeten bitten, so schnell wie möglich zu mir zu kommen. Ich werde mich mit ihnen beraten. Mit ihrer Hilfe und Eurem Beistand sollte es wohl gelingen, den Franzosen schon bald zur Räson zu bringen.«
Guillaume nickte. So spricht ein König, dachte er erleichtert. Vielleicht würde John seiner Aufgabe ja doch noch gerecht werden.
Le Mans im September 1199
G uillaume des Roches, Sire!«, rief eine der Leibwachen Johns und eskortierte mehrere Männer und eine Frau in die Halle der Burg von Le Mans, die Guillaume untrennbar mit dem alten König verband.
»Des Roches!« John setzte ein liebenswürdiges Lächeln auf und breitete die Arme aus. »Ihr habt meine Schwägerin und meinen geliebten Neffen mitgebracht! Ihr ahnt nicht, wie sehr Ihr mich damit erfreut!«, erklärte er honigsüß, doch statt Constanze und Arthur zu umarmen, setzte er sich wieder in den vergoldeten Lehnstuhl, den er stets mit sich führte und der in seiner Pracht einem goldenen Thron ähnelte. Durch ein Nicken gab er ihnen zu verstehen, dass er ihre Huldigung erwartete.
»Mylord.« Constanze senkte das Haupt und machte einen tiefen Knicks, während ihr Sohn sich nur zähneknirschend vor John
Weitere Kostenlose Bücher