Der goldene Thron
hatte. Obwohl Guillaume den König immer wieder dazu gedrängt hatte, Frieden mit dem Franzosen zu suchen, war John zu einer Versöhnung nicht bereit gewesen.
Guillaumes Blick fiel erneut auf seine geliebte Isabelle. Offensichtlich genoss sie ihren seltenen Aufenthalt bei Hof. Er selbst dagegen überlegte, wie er der immer stickiger werdenden Luft in der mit Efeu, Mistelzweigen und anderem Grün geschmückten Halle wohl entfliehen konnte. Statt den mit Zimt und Nelken gewürzten Wein zu genießen, war ihm nach frischer Luft und kaltem Quellwasser.
Seine Gedanken schweiften erneut zur Normandie ab. Seine Ländereien dort waren beachtlich. Sie waren fruchtbar, und das Leben für ihn und seine Familie war stets angenehm gewesen. Darum war er nicht gewillt, seinen Besitz nun so ohne Weiteres aufzugeben. Nur weil John nicht in der Lage war, seine Interessen auf dem Festland zu wahren, sollte er all dieses gute Land und die nicht zu verachtenden Einnahmen einbüßen?
Unwillen stieg in Guillaume auf. John hatte einen Fehler nach dem anderen begangen und war nicht bereit, daraus zu lernen. Doch was nützte es zu klagen? Was geschehen war, würde dadurch nicht ungeschehen gemacht. Es galt vielmehr, nach vorn zu schauen und nach neuen Möglichkeiten zu suchen. Noch war nicht alles verloren. Les Andelys hielt der Belagerung weiterhin stand, und auch Rouen harrte noch aus. Vor seinem fluchtartigen Verlassen der Normandie hatte der König die Stadt Pierre de Préaux anvertraut. Eine gute Entscheidung, denn Préaux war zuverlässig und hatte sich als vorausschauend genug erwiesen, um die Stadt auf eine lange Belagerung vorzubereiten. Er hatte riesige Speicher errichten und sie mit genügend Vorräten füllen lassen, um Rouen ein ganzes Jahr lang versorgen zu können. Guillaume wollte die Hoffnung noch nicht aufgeben. Vielleicht konnte man mit dem Franzosen doch noch einen Frieden verhandeln oder zumindest einen Waffenstillstand, der ihnen eine Atempause verschaffte.
Während er noch darüber nachsann, was man Philippe anbieten konnte, zogen ein Mann und eine Frau mit einem kleinen Jungen an der Hand seine Aufmerksamkeit auf sich. Er beobachtete, wie sie sich durch die Menge auf den König zuschoben, und kniff ungläubig die Augen zusammen. Was in aller Welt taten William und Marguerite hier? Sie sahen aus, als gehörten sie zusammen. Stoffe und Farben ihrer Gewänder waren aufeinander abgestimmt und für einen einfachen Falkner viel zu kostspielig. Auch schien Marguerite noch schöner geworden zu sein, weicher und strahlend vor Glück. Guillaume sah sie mit einigen Baronen sprechen, während William, ein wenig verloren wirkend, um sich blickte. Plötzlich jedoch reckte er den Kopf und führte Marguerite zielstrebig auf den goldenen Thron zu, auf dem John inzwischen wieder Platz genommen hatte.
Als der König die beiden entdeckte, erhob er sich schwungvoll, ging auf Marguerite zu und umarmte sie lange. Ein weicher Zug lag plötzlich auf seinem Gesicht. Wie schon früher war er wie ausgewechselt, sobald sie sich in seiner Nähe befand.
William verbeugte sich tief vor dem König, und ein neugieriges Tuscheln erhob sich, als John ihm die Hand freundschaftlich auf den Arm legte. Guillaume runzelte die Stirn. Der Falke, den John einst in Williams Obhut gelassen hatte, war wie erwartet gestorben und der König danach noch lange wütend gewesen. Wie kam es, dass William nun erneut in seiner Gunst stand?
Die junge Königin begrüßte Marguerite wie eine alte Freundin und streckte die Arme nach dem Jungen an ihrer Hand aus, doch ihr Gemahl kam ihr zuvor. Er schnappte sich den Knaben, hob ihn hoch und sah den Jungen prüfend, aber nicht unfreundlich an. Trotz des Fingers in seinem Mund lächelte das Kind gewinnend und befühlte mit der freien Hand die glitzernden Edelsteine auf des Königs Gewand. John grinste zufrieden und begann, den Jungen zu kitzeln, bis er sich wand und glucksend lachte.
»Ein strammes Kerlchen«, lobte er. »Wie heißt er?«
»Richard«, antwortete Marguerite, »nach meinem Vater.«
»Großartig.« John lächelte und wandte sich dann an Guillaume. »Seht nur, was für ein prächtiger Knabe!« Er hob den Jungen noch einmal hoch und reichte ihn dann zurück an Marguerite.
Guillaume runzelte erneut die Stirn.
»Sir William of Roford, königlicher Falkner seit knapp zwei Jahren und Gemahl von Marguerite de Hauville«, raunte ihm der Knappe des Königs zu. Er war es gewohnt, John hier und da auf die Sprünge zu
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