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Der goldene Thron

Titel: Der goldene Thron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katia Fox
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ihres Körpers einfach aufbrach. Die eisige Kälte dieses schrecklichen Ortes, an den man sie auf Geheiß des Königs verbracht hatte, steckte in jedem ihrer Knochen wie ein Splitter. Ohne dass sie etwas dagegen tun konnte, schlugen ihre Zähne aufeinander. Hoffnungslosigkeit hätte sielängst aufgeben lassen, wenn ihr Sohn nicht gewesen wäre. Für ihn hatte sie jeden Tag aufs Neue am Leben festgehalten.
    In der ersten Zeit hatte sie versucht, die Kälte mit der Erinnerung an Licht und Wärme der Sommersonne zu lindern, doch es hatte nie lange geholfen, und mit den Wochen, die vergangen waren, hatte sie vergessen, wie sich Sonnenstrahlen auf der Haut anfühlten, wie es war, satt zu sein und zu schwitzen, sich zu freuen und nach einem erholsamen Schlaf gestärkt zu erwachen. Verzweiflung, Hunger und Schmerz waren stärker als sie. John war stärker. Er war der König und hatte die Macht, sie elend zugrunde gehen zu lassen.
    Ihr Mund zuckte, als wollte er herablassend lächeln. Sie hatte den König beleidigt und den Maréchal vergeblich belastet. Sie hatte intrigiert, war geflohen und hatte versucht, John mit Verhandlungen hinters Licht zu führen. Doch er hatte ihre Winkelzüge durchschaut und sie dafür bestraft. Sie hatte mit ihrem Leben gespielt und verloren. Nun zahlte sie.
    »Gnade!«, flüsterte sie mit letzter Kraft, doch niemand antwortete.
    »Verschont wenigstens meinen Sohn! Ich war es, die Euch beleidigt hat, die Euch Geld versprochen und nicht bezahlt hat, nicht er.« Das waren die letzten Worte gewesen, die sie an den König gerichtet hatte. Doch John hatte nur boshaft gelacht und sie fortbringen lassen. Beide. Sie und William, ihren Ältesten.
    Ihr Sohn zürnte ihr, weil sie zu lange verhandelt hatte, anstatt um Gnade zu bitten. Auch seinem Vater war er gram, denn dieser war geflohen und hatte nicht versucht, sie zu retten. Der Brief, dachte Matilda, wir hätten den Brief aus Glamorgan holen müssen! Doch es war zu spät. Es gab kein Entrinnen mehr.
    »William?«, fragte sie in die Dunkelheit, aber er antwortete nicht. Er sprach schon seit Tagen nicht mehr mit ihr, sah sie nicht an, wandte ihr nur stur den Rücken zu. Matilda schloss die Augen, schürzte die Lippen und stellte sich vor, dass sie seine Wange küsste. Tränen liefen ihr über das Gesicht in die Haare. Sie bereute, den König herausgefordert zu haben, doch es war zu spät.Sie war verdammt. Verloren. Von allen aufgegeben. Ihr Magen grollte so laut, dass sie erschrak. Wie das Knurren eines Wolfes hatte es geklungen. Doch in diesem Kerker gab es keine Wölfe, nur Ratten, ihren Sohn und sie.
    »William«, flüsterte sie mit bebender Stimme, robbte über den Boden und tastete nach ihm, bis sie seine kalte Hand zu fassen bekam. Matilda zitterte vor Kälte, doch William schien noch erbärmlicher zu frieren als sie. Am besten, sie legte sich dicht neben ihn, um ihn zu wärmen. Sie rückte an ihn heran, griff nach dem zerfetzten Umhang um ihre Schultern und versuchte, auch ihren Sohn ein wenig damit zu bedecken. »Verzeih mir!«, wisperte sie weinend in sein Ohr »Es ist alles meine Schuld.« Dann spitzte sie den Mund zu einem Kuss und berührte seine Wange mit ihren Lippen.

Kilkenny, Herbst 1212
    G uillaume saß in einem gemütlichen Lehnstuhl am Feuer und genoss den seltenen Müßiggang. Seit Tagen schon regnete es in Strömen. Keinen Hund hätte man bei diesem Wetter vor die Tür jagen wollen, und so waren auch er und seine Männer daheim geblieben. Guillaume stützte den Kopf in die Hand und schloss einen Moment die Augen.
    Zwei Jahre war es her, dass er seinem König die geforderten Geiseln übergeben hatte. Misstrauisch wie er war, hatte John sie alle nach England verbringen lassen, Sauqueville nach Gloucester, Samford nach Winchester, Erlée nach Nottingham und FitzRobert nach Hereford. Nur Porcel hatte das Glück gehabt, einem aufrechten Mann anvertraut zu werden, der seine Geisel mit Respekt behandelt hatte.
    Die anderen aber waren in feuchten Kerkern untergebracht worden, wo man sie hatte hungern und frieren lassen. Ein volles Jahr war vergangen, bis der König sie freigegeben hatte, um Guillaume für erneute Dienste zu danken, die er notgedrungen geleistet hatte. Geschwächt von der langen Haft und den Entbehrungen in ihren klammen Verliesen, waren sie heimgekehrt.
    Auch Jean d’Erlée war schlecht behandelt worden und bis auf die Knochen abgemagert. Dünn und zerbrechlich hatte er gewirkt, als Guillaume ihn endlich wieder in die Arme

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