Der goldene Thron
hatte schließen können, doch wenigstens lebte er. Für FitzRobert dagegen, Basilias Gemahl und Strongbows Schwager, war der Tag der Befreiung zu spät gekommen. Er war in seinem schäbigen Gefängnis erkrankt und einsam, ohne seelischen Beistand gestorben.
Auch Lady de Braose und ihrem Sohn, so hatte man Guillaumezugetragen, war es in der Gefangenschaft schlecht ergangen. John hatte sie und ihren Sohn eingekerkert und elend verhungern lassen. Bei dem Gedanken, was man sich über sie erzählte, öffnete Guillaume die Augen. Eine Gänsehaut huschte über seine Arme.
Es hieß, man habe Matilda mit den Zähnen in der Wange ihres Sohnes verbissen gefunden. Guillaume schüttelte den Kopf. Sie habe versucht, sich an seinem Fleisch zu laben, um nicht zu sterben, tuschelten die Leute voller Grauen, doch Guillaume konnte nicht glauben, dass Matilda de Braose so etwas Abscheuliches getan hatte. Trotz allem, was man dieser Frau vorwerfen konnte – Guillaume hatte sie stets als liebende Mutter erlebt, die ihre Kinder mit aller Kraft beschützt hatte. Dass der König die beiden ohne Gnade hatte verhungern lassen, war erbarmungslos und verwerflich, doch Lady Matildas Andenken mit diesen schauerlichen Gerüchten zu beschmutzen, schien Guillaume nicht weniger herzlos zu sein.
Johns Härte sowie seine Willkür und seine aus unermesslicher Gier herrührende Bestechlichkeit hatten in den vergangenen Jahren so erschreckende Ausmaße angenommen, dass Guillaume zuweilen am Verstand seines Königs zweifelte. Vor allem aber fürchtete er um das Leben seiner Söhne, die inzwischen schon seit vielen Jahren in Johns Obhut waren. Jeden Tag betete er deshalb, der Herr möge ihm die Kraft geben, den König nicht zu erzürnen, und flehte zu allen Engeln und Heiligen, sie mögen seinen Nachwuchs vor Johns Erbarmungslosigkeit schützen.
Hätte der König die Menschen um sich herum ein wenig besser gekannt, so hätte er gewusst, welch treues Herz in Guillaumes Brust wohnte und dass es nicht nötig war, ihn mit dem Wohl von Geiseln zum Gehorsam zu zwingen. Jederzeit und ohne zu zögern, hätte Guillaume sein Leben für seinen König gegeben, denn er hatte ihm die Treue geschworen und wollte sie einhalten, was auch immer geschah. Ganz gleich, wie viel Ungerechtigkeit und Härte John an den Tag legte, er war und blieb der rechtmäßige König. Eingesetzt von Gottes Gnaden, hatte er ein Anrechtauf die bedingungslose Treue jedes Einzelnen seiner Männer. Treu bis in den Tod, so hatte Guillaume seine Aufgabe immer verstanden, bei jedem König und zu jeder Zeit.
John aber machte ihm den Glauben an sich und seine Werte von Tag zu Tag schwerer. Immer häufiger schwankte Guillaume, und doch konnte er nicht anders, als seinem Herrn verlässlich zur Seite zu stehen.
»Ein Bote des Königs, Mylord!«, kündigte einer der Wachleute an und riss ihn aus seinen trüben Gedanken.
Isabelle sah von ihrer Stickarbeit auf, und Guillaume schnaufte leise. Was würde John nun wieder fordern? Mit gerunzelter Stirn nickte er und hieß den Mann eintreten.
Der Bote, ein junger Ritter, der schon länger an Johns Hof weilte, begrüßte Guillaume höflich, richtete Grüße von seinem königlichen Herrn aus und erbot sich, das mitgebrachte Schreiben sogleich vorzulesen. Er begann die ersten Sätze mit kratziger Stimme, hüstelte mehrmals und murmelte ein paar entschuldigende Worte.
Guillaume gab seinem Pagen ein Zeichen, damit der dem Ritter einen Becher Wasser reichte.
Dankend nahm der Mann ihn an, trank hastig ein paar kräftige Schlucke, setzte ab und fuhr mit dem Lesen fort:
»… Ich habe auch meinen Baronen und Männern in Irland geschrieben, um ihnen für ihre guten und treuen Dienste sowie ihre Treueschwüre zu danken, die sie mir kürzlich erbracht haben. Ich zweifle jedoch nicht einen Augenblick daran, dass Ihr, Maréchal, die treibende Kraft gewesen seid, die sie zu diesem Schwur angehalten hat. Eurem guten Willen habe ich ihre Unterstützung in betreffender Angelegenheit zu verdanken, darum grüße ich Euch umso herzlicher.«
Guillaume nickte und seufzte. Im vergangenen Sommer hatte er John de Gray bei der Bekämpfung einer Revolte geholfen, die den Tod des Königs zum Ziel gehabt hatte. Mehr als zwanzigseiner Barone hatte er mit Engelszungen dazu bewogen, John schriftlich ihre Lehenstreue zu beteuern, und das, obwohl der König ihn zunächst sogar verdächtigt hatte, Teil der Verschwörung gegen ihn zu sein. Ob er inzwischen endlich begriffen
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