Der goldene Thron
entweichen ließ. Am Anfang war ihm das Glück noch hold gewesen. Ja, es war ihm sogar gelungen, drei große Ritter gefangen zu nehmen, von denen einer ein Höfling des schottischen Königs gewesen war. Doch schon bald nach der Trennung von Tancarville hatte er die ersten Niederlagen einstecken müssen. Eine der schmerzlichsten war seine Begegnung mit Mathieu de Walincourt gewesen, der ihn herablassend und ungerecht behandelt hatte. Für Guillaume hatte es nicht nur den Verlust eines wertvollen Pferdes bedeutet, sondern auch eine erhebliche Verletzung seines Ehrgefühls.
Obwohl ihm das eine oder andere großzügige Angebot fürseine Dienste gemacht worden war, sehnte sich Guillaume wieder nach dem verlässlichen Zusammenhalt eines festen Verbandes, so wie er ihn im Haushalt des Kammerherrn gekannt hatte. Eine Anstellung bei einem großen Herrn zu erlangen und damit einen sicheren Hafen zu erreichen, das war es, wonach er strebte. Lange hatte er darüber nachgedacht, welche Möglichkeiten ihm offenstanden. Er hätte Jean, seinen älteren Bruder, um Aufnahme in seinem Haus bitten können, wie es Nachgeborene häufig taten, wenn sie nicht wussten, wohin. Doch ewig der unverheiratete Onkel der Kinder und Erben seines Bruders zu sein, ohne Aussicht darauf, je selbst Familie, Land und Ansehen zu besitzen, war nicht die Zukunft, von der er träumte. Noch dazu, da er zu seinem Bruder kein so inniges Verhältnis hatte, dass er ihm ein Leben lang zu Treue und Dankbarkeit hätte verpflichtet sein mögen.
Guillaume zügelte sein Pferd, als die Burg von Tancarville endlich vor ihm lag. Wehrhaft und erhaben wie eh und je thronte sie auf dem schroffen Felsen, der weit in die Seine hineinragte. Guillaume betrachtete sie einen Augenblick lang bewegt und ritt dann mit bangem Herzen auf die Festung zu. Die großen, hellen Steinquader, aus denen sie gebaut war, das Banner, das hoch oben auf dem Turm im Wind flatterte, die bewaffneten Wachposten am Tor, all das war ihm so vertraut, dass ihm der Hals plötzlich eng wurde. Wie sehr hatte er sich nach Tancarville, vor allem aber nach Alan zurückgesehnt!
Knappen, Pagen, Knechte und Mägde hasteten über den Burghof, schlitterten über die zugefrorenen Pfützen, lachten, schwatzten oder stritten sich, ohne Guillaume zu beachten. Nur einer der Stallknechte nickte ihm flüchtig zu, als er vom Pferd stieg. Ein merkwürdig beklemmendes Gefühl packte Guillaume. War er schon zu lange fort und gehörte nicht mehr hierher? Gewiss, er war zurückgekehrt, um den Kammerherrn um Entlassung zu bitten, denn er musste an seine Zukunft denken, und doch hegte er zugleich die zarte Hoffnung, Tancarville möge ihn auffordern, bei ihm zu bleiben.
Guillaume band seine Pferde vor dem größten der drei Ställean und ging mit einem flauen Gefühl im Magen auf den Bergfried zu. Seine Knie waren weich wie Talg, und einen Moment lang fürchtete er, keinen Schritt mehr tun zu können. Er räusperte sich. Seine Kehle fühlte sich trocken und rau an und wollte einfach nicht geschmeidiger werden. Wie würde der Kammerherr ihn wohl empfangen?
Immer zwei Stufen auf einmal nehmend, hastete Guillaume die Treppe hinauf.
Tancarville stand am anderen Ende der großen Halle an einem unverschlossenen Fenster und rief Befehle in den Hof.
»Mylord!« Guillaume blieb in angemessenem Abstand stehen und verbeugte sich tief.
Tancarville wandte sich um. »Guillaume!«, rief er erfreut und ging mit ausgebreiteten Armen auf ihn zu. »Wie ich höre, hast du dich wacker behauptet, seit wir uns getrennt haben!« Er umarmte ihn knapp, nahm ihn dann bei den Schultern und sah ihn an. »Auch über Bucephalus spricht man!« Schalk lugte aus seinen Augen. »Es heißt, jedermann beneide dich um ihn, aber niemand wolle ihn haben.«
Guillaume lachte und nickte. »Mehr als einer meiner mutigen Gegner hat versucht, auf seinen Rücken zu steigen und ihn zu bändigen, doch ein jeder ist abgeworfen worden, noch ehe sein Hinterteil den Sattel berührt hat. Bucephalus zu bändigen, ist keinem von ihnen gelungen. Er ist ein Dickschädel, Mylord, aber er leistet mir hervorragende Dienste. Es fiele mir schwer, mich von ihm zu trennen, ist er doch mein wertvollster und liebster Besitz!«
»Ich wusste von Anfang an, dass er wie für dich geschaffen ist.«
»Das ehrt mich, Mylord!« Guillaume errötete ein wenig und verbeugte sich kurz.
»Doch nun, Guillaume, sag mir, was dich zu mir führt! Bist du der Turniere schon überdrüssig?«
»Ich bitte
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