Der goldene Thron
Donovan bleiben zu können …
Der Schmied antwortete nicht und arbeitete verbissen weiter an seinem Werkstück. Es stand ihm nicht zu, Guillaume so unhöflich zu behandeln, doch machte es keinen Sinn, ihn zu maßregeln und einen Streit mit ihm vom Zaun zu brechen. Ob er schließlich doch herausbekommen hatte, dass Alan ein Mädchen war? Immerhin würde das seine Wut erklären. Vielleicht hatte sie es ihm sogar gebeichtet?
Guillaume schüttelte kaum merklich den Kopf. Nein, so einfältig zu glauben, der Schmied würde ihr verzeihen, dass sie ihn über Jahre an der Nase herumgeführt hatte, war Alan nicht! Möglicherweise hat es ja auch andere Gründe, dass sie fort ist, versuchte er sich zu beruhigen. Vielleicht sollte er nach Rose Ausschau halten, um sie nach Alan zu fragen, doch was nützte es schon, wenn er wusste, was geschehen war? Alan war fort, und er selbst würde nach England gehen. Es war Zeit, sie zu vergessen.
Vage Hoffnungen und große Ängste hatten ihn begleitet, als er – ein kleiner Junge noch – über den Kanal, die Seine flussaufwärts nach Tancarville in eine ungewisse Zukunft gereist war. Den Weg zurück nach England aber trat er als Mann an, ausgebildet im Kampf, stark und geschickt. Trotzdem wusste er auch diesmal nicht, was am Ende seiner Reise auf ihn wartete.
Guillaume hatte sich nach seinem Onkel erkundigt und erfahren, dass Sir Patrick ebenfalls erst vor Kurzem vom Festland zurückgekehrtwar und sich irgendwo im Südosten Englands aufhielt.
Fast zwei Wochen folgte er bereits seiner Spur. Tagsüber gelang es ihm, die Gedanken an Alan zu verdrängen, in der Nacht aber träumte er davon, mit ihr auf der Lichtung im Gras zu liegen und sie zu lieben.
In einem dunklen Waldstück beschlich ihn plötzlich das Gefühl, beobachtet zu werden. Ein Knacken im Unterholz ließ ihn herumfahren. Ob sich Räuber hinter den Büschen und Bäumen versteckt hatten und auf leichte Beute lauerten? In dem Augenblick, als seine Hand zu seiner Geldbörse fuhr, sauste ein Pfeil dicht an seinem Ohr vorbei und blieb in dem Baum gleich hinter ihm stecken.
Der Pfeil war nicht aus der Richtung gekommen, aus der er das Knacken wahrgenommen hatte, was den Schluss nahelegte, dass der Schütze nicht allein war. Guillaumes Herz begann zu rasen. Bucephalus schnaubte und fing an, nervös zu tänzeln.
»Nichts wie weg hier!«, murmelte Guillaume, lenkte das Pferd nach Süden, in der Hoffnung, den Wald dort bald verlassen zu können, und trieb es an. Tief hängende Zweige peitschten ihm ins Gesicht. Zweimal musste er sich ducken, um nicht vom Pferd gerissen zu werden. Er hörte, dass er verfolgt wurde, und blickte sich gehetzt um.
Vier Männer preschten ihm nach und waren ihm bedrohlich dicht auf den Fersen. Mit einem Mal scheute Bucephalus, und Guillaume wäre um ein Haar gestürzt. Zwei weitere Reiter waren überraschend aus dem dichten Gebüsch vor ihm aufgetaucht und versperrten ihm nun den Weg. Einer der beiden Männer fasste nach Bucephalus’ Zügeln und zog daran. Guillaume griff nach seinem Schwert, doch er kam nicht dazu, es zu zücken. Eine Lanzenspitze drückte sich in seinen Hals, nicht weit von der Stelle, an der man den Schlag des Herzens fühlen konnte.
»Er ist gewiss ein Spitzel!«, behauptete einer der Männer und sah seine Kameraden Zustimmung heischend an.
»Was tut Ihr hier?«, fragte ihn ein in bestes Tuch gekleideterRitter mit glänzendem Kettenhemd, ließ sein Pferd ein paar Schritte auf Guillaume zuschreiten und bedeutete dem Mann mit der Lanze, sich zurückzuhalten.
Da er der Anführer zu sein schien, neigte Guillaume den Kopf. »Sollte ich mich auf Euren Ländereien befinden, so bitte ich höflichst um Vergebung«, erklärte er, denn der Mann und seine Begleiter sahen nicht wie Räuber aus. »Ich bin auf der Suche nach meinem Onkel.«
»Soso, auf der Suche nach Eurem Onkel!« Der Ritter nickte. »Und wer bitte ist Euer Onkel?«
»Patrick, Earl of Salisbury, Sir! Ich hoffte, ihn bereits in Tonbridge vorzufinden, doch er war schon fort, als ich dort eintraf. Vielleicht seid Ihr ihm ja begegnet und könnt mir sagen, wo ich ihn finden kann?«
»Und was wollt Ihr von Eurem Onkel, dem Earl?«, fragte der Ritter statt einer Antwort und glitt vom Pferd.
Der Mann mit der Lanze ruckte mit dem Kopf, was Guillaume als Aufforderung verstehen sollte, ebenfalls abzusteigen.
Was geht Euch das an?, wollte er schon auffahren, besann sich aber eines Besseren. Seine Gegner waren in der Überzahl,
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