Der goldene Thron
Vielleicht ist es ja besser so, dachte er niedergeschlagen. Ein Mädchen, das ein Schmied sein will, und ein mittelloser Ritter ohne Aussicht auf ein eigenes Stück Land und gesicherte Einkünfte – daraus kann niemals etwas werden. Dass ihre Wege sich schon bald trennen würden, hatte er gewusst, nun aber, da es so weit war, schmerzte es mehr, als er gedacht hatte. Betrübt packte er seine wenigen Habseligkeiten zusammen.
Überall im Burghof wurden Zelte verschnürt, Decken, Helme, Kettenhemden, Waffen, einfache Werkzeuge und alles, was sonst noch benötigt würde, auf Packpferden verzurrt. Die Leiber der Schlachtrösser waren gestriegelt, ihre Mähnen geflochten und die Sättel mit den Farben Tancarvilles geschmückt, damit die Männer auf ihrer Reise stattlich aussahen und gebührend bewundert wurden. Der Kammerherr höchstpersönlich würde den Tross anführen, gefolgt von seinen Rittern und einigen Knappen. Enguerrand, der seit Kurzem kein Page mehr war, würde die Ehre haben, neben ihrem Herrn zu reiten und das Banner Tancarvilles zu tragen. Auch Guillaume war dieses Privileg seinerzeitzuteilgeworden. Er konnte sich noch genau erinnern, wie aufgeregt er gewesen war, als sie mit dem Kammerherrn auf Streifzug gegangen waren und er das Banner hatte tragen dürfen. Es war nicht schwer nachzufühlen, wie stolz Enguerrand sein musste.
Bevor er aufsaß, prüfte Guillaume noch einmal Bucephalus’ Sattelgurt und den Sitz seiner Waffen auf dem Packpferd, das er nun zusätzlich besaß. Einerseits war er erleichtert, mit seinem Herrn fortziehen zu dürfen, und stolz, dies als Ritter zu tun, andererseits wusste er nicht, was anschließend geschehen würde, und fürchtete darum die Ungewissheit, in die er sich begab. Der erhebende Augenblick aber, als sich der farbenprächtige Tross auf den Weg machte, ließ ihn allen Kummer vergessen.
Aufrecht und stolz saßen die Männer auf ihren Pferden. Ritter wie Knappen genossen den Auszug, bei dem Knechte und Mägde, Handwerker, Bauern, Kinder und Alte jubelnd am Wegesrand Spalier standen und freudig winkten. Junge Mädchen warfen den Reitern frisch gepflückte Blumen und Kusshände zu. Einige Ritter nickten freundlich und fingen die zarten Stängel auf, um sie sich anzustecken. Auch Guillaume erhaschte einen und hielt ihn mit dem Zügel in der Faust, während seine Augen die Menge vergeblich nach Alan absuchten. Die meisten Männer jedoch sahen nur starr geradeaus. Die Blumen prallten an ihnen ab, fielen zu Boden und wurden von den schweren Hufen der Schlachtrösser und Packpferde zertrampelt.
Seit Tagen hatte es nicht geregnet. Der Staub, den die vielen Pferde aufwirbelten, setzte sich in Nase, Augen, Mund und Ohren, doch Guillaume störte das nicht. Eine Staubwolke zu hinterlassen, gehörte dazu, wenn ein so großer Tross aufbrach, und war allemal besser, als in strömendem Regen reiten zu müssen, der Männer und Tiere nicht stolz, sondern bedauernswert aussehen ließ.
Als sie wenige Tage später einen großen Platz in der Nähe eines kleinen Weilers erreichten, standen bereits unzählige Ritter inkleinen oder größeren Gruppen beisammen, prahlten über vergangene Erfolge oder machten sich über ihre künftigen Gegner lustig. Die edlen Pferde, neuesten Waffen und herrlichen bunten Zelte, die es zu bestaunen gab, betrachtete Guillaume nur aus dem Augenwinkel. Niemand sollte ihm anmerken, wie beeindruckt er war.
Handwerker und Händler waren dabei, Verkaufsstände aufzubauen und Werkstätten einzurichten. Bald würden sie Töpfe, Kleidung, Waffen, Schmuck, Schuhe und jegliche Art von Hausrat feilbieten. Auch Essbares aus verschiedensten Gegenden, dazu Wein, Bier, Met und Cidre konnte man an den Ständen erwerben.
An einer freien Stelle auf dem Lagerplatz wies der Kammerherr seine Knechte, Soldaten und Knappen an, das Gepäck abzuladen, die Zelte aufzustellen und einzurichten sowie die Pferde zu versorgen, während er sich mit seinen Rittern umsehen und einige alte Bekannte begrüßen wollte. Guillaume war stolz, ihm diesmal folgen zu dürfen. Bei ihrem letzten Turnier war er noch Knappe gewesen und hatte darum zurückbleiben und beim Aufbau helfen müssen.
Überall wimmelte es von Menschen, die etwas feilboten, nach Arbeit oder einer Gelegenheit zum Stehlen suchten. Guillaume beobachtete zwei blutjunge Mädchen, die verschämt neben drei nicht mehr ganz so jungen Frauen mit auffällig rot gefärbten Wangen und Lippen standen. Ihren tief ausgeschnittenen Kleidern
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